Der 11. September im Rückblick

Nachfolgend dokumentiere ich meinen Versuch von 2001, den 9/11-Anschlag zu begreifen. Die Monatszeitschrift KONKRET veröffentlichte den Artikel im November 2001 unter dem Titel „Das Fanal“. Im Anschluss folgt ein Nachwort aus heutiger Sicht.

Von Matthias Küntzel

Hamburg, 9. September 2021

Entscheidend ist die Tat selbst. Hunderte in den eigenen Selbstmord hineinzureißen, damit Tausende an ihren Arbeitsplätzen verbrennen – das ist beispiellos. Erneut wurde die Unzulänglichkeit unserer an Vernunftkriterien orientierten Vorstellungskraft deutlich. Vielleicht erklärt dies die Eilfertigkeit, mit der das Verbrechen als “Antwort auf die Aufteilung der Welt in Arm und Reich” rationalisiert wurde, anstatt es aus der Perspektive jener wahnhaften Vorstellungsstruktur zu interpretieren, die im Vorgehen der Täter ihren Ausdruck fand.

Nicht zufällig hatte schon für Hitler das Symbol des Infernos über Manhattan einen besonderen Reiz. “Nie habe ich ihn so außer sich gesehen wie gegen Ende des Krieges, als er wie in einem Delirium sich und uns den Untergang New Yorks in Flammenstürmen ausmalte”, erinnerte sich Albert Speer. “Er beschrieb, wie sich die Wolkenkratzer in riesige, brennende Fackeln verwandelten, wie sie durcheinanderstürzten, wie der Widerschein der berstenden Stadt am dunklen Himmel stand.”

Hitler geriet bei dieser Vorstellung in Ekstase, weil “Wall Street” für ihn die Chiffre für jüdische Weltherrschaft war, “sozusagen das Generalstabsgebäude Judas. Von hier aus gehen die Fäden Judas über die ganze Welt”, wie eine Programmschrift des deutschen Antisemitismus schon 1919 halluzinierte.

Der arabische Antisemitismus, der mit dem deutschen nicht identisch ist, weist gleichwohl ähnliche Züge auf. Seine ideologische Quelle sind die ägyptischen Muslimbrüder, die im Kontext der Weltwirtschaftskrise von 1929 gegen “Kreuzfahrer und Juden” mobilisierten und so die erste islamistische Massenbewegung initiierten. Von Anbeginn an verherrlichte diese Bewegung – nicht zuletzt unter dem Einfluss des europäischen Faschismus – “Kampf” (Djihad), “Tod und Märtyrertum” sowie, so ihr Gründer Hasan al-Banna, die “Kunst des Sterbens”.

Wichtigster Autor der Muslimbrüder ist Sayid Qutb, dessen antisemitische Pamphlete den militanten Islamisten derzeit vertrauter sind als der Koran selbst. “Wir dürfen nicht vergessen”, schrieb Qutb 1964 in seinem Hauptwerk Soziale Gerechtigkeit im Islam, “dass Kommunismus und Freimaurerei jüdische Institutionen sind und dass die erste Säule des jüdischen Plans zur Zerstörung der Welt … darin besteht, die Religion … von der Welt zu entfernen.”

Die “fortwährende Rolle der Juden” sei ihre “Verschwörung gegen den Islam” durch “Vereinigung der antiislamischen Kräfte sowohl in der kreuzfahrerischen imperialistischen Welt wie auch in der materialistischen kommunistischen Welt” (zitiert nach W.E. Shepard: Sayyid Qutb and Islamic Activism, Leiden 1996). In der Logik der Djihadisten beseitigte ihr Sieg in Afghanistan den Kommunismus, weshalb sie jetzt die Zeit für gekommen halten, den anderen Feind des Islam zu zerschlagen, die “jüdisch infizierte” Weltordnung des Westens.

1995 gründeten Bin Laden und der ehemalige ägyptische Muslimbruder Ayman an-Zawahiri als militantesten Flügel des arabischen Antisemitismus die “Islamische Front für den Djihad gegen die Juden und die Kreuzfahrer”. Mohammed Atta, der als “Kopf” der Attentäter vom 11. September gilt, soll Mitglied der von Zawahiri geführten Organisation Ägyptischer Islamischer Djihad gewesen sein.

Die Aneignung von Wissenschaft und fortgeschrittenster Technologie, wie etwa die der Kernspaltung, gelten den Djihadisten als Voraussetzung für militärische Überlegenheit und als Grundlage zur Befreiung der Welt. Doch nicht nur in diesem Punkt ist ihre Revolte modern. Wie Hitler einst “einen neuen Sozialstaat von höchster Kultur” angekündigt hatte, so will die “antikapitalistische” Rebellion der Djihadisten die “umfassende Weltsicht des Islam” durch eine von Zins und Gewinnsucht “gereinigte” Ökonomie verwirklichen.

Schon in den dreißiger Jahren gründeten deshalb die Muslimbrüder “befreite” Industriebetriebe. In den Neunzigern machte auch Osama Bin Laden den Versuch, “mit Musterbetrieben die wirtschaftliche Einigung der umma, der islamischen Welt also, anzustoßen” (“FAZ”, 29.9.01). Dem freilich stehen die Feinde im Weg: So hatte der Selbstmordattentäter Mohammed Atta in seiner Harburger Diplomarbeit “anonyme Mächte” für die “Zerstörung von menschlicher Lebensqualität” verantwortlich gemacht.

Niemals ist solch “verkürzter” Antikapitalismus der Herrschaft des Geldes gefährlich geworden. Stets aber war seinem Programm ein Identitätswahn eingeschrieben, der auf Beseitigung der “anonymen Mächte”, der “Juden” und der “Kommunisten”, sinnt.

Die Täter des 11. September hatten die Wahl, und die Tat zeugt vom Motiv. Ihr eliminatorischer Hass gegen das “jüdische” New York, dem Tausende zum Opfer fielen, ist weder “verrückt”, noch “religiös versponnen” oder “rückwärtsgewandt”, sondern das Antriebsmoment ihrer regressiven Revolution: Der Anschlag auf das World Trade Center war die bisher monströseste Offenbarung eines erneut auf Vernichtung zielenden Antisemitismus.

Wer darin einen beliebigen “Terror” und eine interne Angelegenheit der USA sieht, hat nicht verstanden, worum es geht. Die brennenden Türme sind das Fanal einer antisemitischen Revolution, die ihre Energie aus einer Mischung diesseitiger Wahnvorstellungen und jenseitiger Heilserwartungen bezieht. Da dieser Fall in den Kampagnen von Antiimperialisten und Friedensfreunden nicht vorgesehen war, verbietet sich das “weiter, wie bisher”. Stattdessen ist der eigene Standort in einer neuen weltweiten Konfrontation zu bestimmen, die die Urheber des Anschlags zwingend auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Dieser Kampf findet unter paradoxen Voraussetzungen statt: Erstens kann er nur im Rahmen jener kapitalistischen Verfasstheit geführt werden, welche das Potenzial zur absoluten Barbarei stets neu aus sich heraus erzeugt. Zweitens sind seine Voraussetzungen nicht überall, wo das Wertgesetz herrscht, a priori gleich.

Während dem Identitätswahn der Attentäter die britische und US-amerikanische Vorstellung vom Individuum als politischem Subjekt eher konträr gegenübersteht, ist deren Weltbild mit der völkischen, die “kulturelle Identität” betonenden Doktrin der Deutschen durchaus verwandt. Schon “Zivilisation” ist bei Gerhard Schröder stets rassistisch konnotiert (um sich von den weniger “zivilisierten” Russen, Serben oder Yankees abzugrenzen), während Tony Blair damit “zivilisierte Verhaltensweisen” jenseits von Abstammung oder Geographie zu fassen sucht. Im Kampf gegen die Djihadisten gewinnen solche Unterschiede an Bedeutung und beeinflussen Politik: Die jetzt besonders enge Kooperation zwischen Washington und London hat vermutlich auch hierin ihren Grund.

In dieser Auseinandersetzung verändert sich drittens das Paradigma der antikapitalistischen Kritik: Selbstverständlich müssen die amerikanische und die britische Politik weiterhin kritisiert werden. Jedoch nicht deshalb, weil sie die Djihadisten verfolgt, sondern weil sie diese nicht zielgenau und konsequent genug verfolgt.

In Washington kann von einer Klärung des Charakters der Anschläge keine Rede sein: das Wort vom “Terrorismus” verdunkelt, worum es eigentlich geht. Das kleinlaut nachgeschobene Eingeständnis, diesen nur dann bekämpfen zu wollen, “wenn er die Vereinigten Staaten bedroht” (International Herald Tribune, 24. 9.01), macht den instrumentellen Charakter der Bush-Kampagne offenbar und erklärt, weshalb beispielsweise Albanien oder die mit Bin Laden kooperierende UCK auf der Liste der Terrorsympathisanten fehlen, während ausgerechnet Israel vom weltweiten Anti-Terror-Bündnis der USA demonstrativ ausgeschlossen bleibt und ein aktiver Förderer des Djihadismus wie Saudi-Arabien als bevorzugter Verbündeter hofiert wird.

Immerhin haben Washington und London damit begonnen, die antisemitischen Netzwerke Bin Ladens zu zerstören, was von der Berliner Politik, die besonders deshalb zu kritisieren ist, kaum behauptet werden kann.

Während die nationalistische deutsche Linke die Bundesregierung wegen ihres angeblich vorauseilenden Gehorsams gegenüber Washington kritisiert, ist die entgegengesetzte Entwicklung längst im Gang. Beim Kampf gegen den Terrorismus machen wir mit, ruft Gerhard Schröder laut. Aber nur, weil wir leider müssen, fügt vor dem Bundestag leise Rudolf Scharping hinzu, da sonst “das Risiko des Sonderwegs” besteht.

Von einer transatlantischen “Kampffront gegen den Terrorismus” kann jenseits der rhetorischen Blüten also keine Rede sein. “Die Sprengwirkung der Attentate (reicht) bis in das Innerste der Allianz” warnte am 13. September Berthold Kohler, Mitherausgeber der FAZ. Schon heute ist die Nato in ihrer bisherigen Form kaum mehr als ein Relikt. Dass man im Kampf gegen die Djihadisten sich einzig auf die Briten verlassen und auf Deutsche wie auch Franzosen pfeifen könne, wurde von amerikanischen Regierungsbeamten auch öffentlich erklärt. Die neue Kriegsführung, so US-Verteidigungsminister Rumsfeld, werde ganz neue Koalitionen von Ländern hervorbringen, die sich verändern und jeweils neu zusammensetzen können.

In dieser durch Auflösung und Neuformierung gekennzeichneten Gemengelage scheint Deutschland eine Doppelstrategie zu verfolgen. Während man einerseits den Eindruck eines Abschieds von der internationalen “Anti-Terrorismus-Front” peinlich zu vermeiden sucht, wird gleichzeitig gegenüber den USA eine eigenständige Großmachtpolitik verfolgt.

Die Mitteilung der Bundesregierung vom 2. Oktober 2001, sich erstmals vier bis fünf eigene, das heißt von der Nato unabhängige, militärische Aufklärungssatelliten zu beschaffen, ist hierfür nicht das einzige Indiz. In ungewöhnlicher Offenheit gewährte Lothar Rühl, ein ehemaliger Staatssekretär im Bundeskriegsministerium, nur wenige Tage nach dem Anschlag in New York einen Blick auf bevorstehende Szenarien, in welchen es keine Bündnisse, sondern nur noch “Großstaaten”, also Großmächte zu geben scheint:

“In den akuten Krisen zum Jahrhundertbeginn” erweise sich der Einfluss der USA “als umstritten, unsicher und begrenzt”, behauptet Rühl. “Mittelasien ist wie der Mittlere Osten Objekt der strategisch-ökonomischen Konkurrenz und damit ein aufgeladenes Spannungsfeld zwischen den Großstaaten und deren Klienten.” Die europäisch-deutsche Position werde “in dieser Weltkrise kritisch … für die Neubestimmung der Machtverhältnisse sein.”(FAZ, 17.9.01)

Neuformierung der Machtverhältnisse, strategische Konkurrenz: Dies ist das Terrain der Islamismus-freundlichen deutschen Politik und der Hintergrund der Bundestagserklärung von Rudolf Scharping vom 26. September, eine militärische Antwort der USA auf das Massaker nur dann unterstützen zu wollen, wenn “der Dialog zwischen Kulturen und Religionen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bewahrung von Lebensgrundlagen, Förderung von Rechtsstaatlichkeit durch die Art der Reaktion nicht diskreditiert und in Zweifel gezogen werden können” – also eigentlich nie!

Neuformierung der Machtverhältnisse, strategische Konkurrenz: Dies ist heute auch das Terrain der Friedensbewegung und ihrer antiamerikanischen Freunde, die nolens volens bei der Neuformierung Deutschlands gegen den US-amerikanischen Rivalen ein Aktivposten sind.

America´s New War” betitelte beispielhaft und bedrohlich die Wochenzeitung “Freitag” ihre fortlaufende Rubrik, um an dreierlei Postulaten von vornherein keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Erstens: Nicht die Djihadisten, sondern die USA hätten den Krieg erklärt. Zweitens: Falls die USA auf den Djihadismus militärisch reagierten, sei dies nur ein neuer imperialistischer Krieg, wie einst gegen Nicaragua oder Vietnam. Drittens: Der Kampf gegen den Djihadismus sei einzig und allein Sache der USA.

Die ersten beiden Punkte halten der Analyse nicht stand, während die dritte Position im Land der Mörder, das den eliminatorischen Antisemitismus bis zur letzten Kriegsminute praktizierte, auch den moralischen Bankrott markiert: Anstatt gegen massenmörderische Antisemiten zu mobilisieren, was hierzulande tatsächlich einmal etwas Neues wäre, wird in Sachen Feindmarkierung mit ihnen der Schulterschluss praktiziert.

Der neue Hass, der den USA nicht zufällig im Moment der Schwäche und größter menschlicher Verluste entgegenschlägt, ist mehr als nur der Nachvollzug eines heimlichen Regierungsprogramms. Er verweist zugleich auf jene wahnhafte Vorstellungsstruktur, die im Vorgehen der islamistischen Attentäter ihren Ausdruck fand: verkürzter Antikapitalismus plus antisemitische Rebellion.

Quelle: KONKRET November 2001, S. 14f.
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Der erste Teil meines Artikels aus konkret 11/2001, der die antisemitische Dimension des Anschlags betont und auf die Verbindung von Islamismus und Judenhass verweist, ist auch heute noch aktuell. Damals konnte ich jedoch die Verbindung zum Nationalsozialismus nur sehr rudimentär und erst in nachfolgenden Schriften präziser beschreiben.

Das 9/11-Attentat als “Fanal einer antisemitischen Revolution” zu interpretieren, mag aus heutiger Sicht übertrieben klingen. Es handelte sich jedoch um ein Verbrechen, das nicht nur antisemitisch motiviert war, sondern dem anschließend eine antisemitische Lüge unterlegt wurde, die sich rasend schnell und global verbreitete: Angeblich seien am 11. September 4.000 Juden dem World Trade Center fern geblieben, weil sie vom israelischen Geheimdienst gewarnt worden seien. Mit anderen Worten: Israel habe vom Anschlag gewusst oder diesen initiiert und “seine Leute” rechtzeitig gewarnt, die stillschweigend ihre nicht-jüdischen Kolleginnen und Kollegen ins Verderben laufen ließen.

Eine “linke” Version dieser Verschwörungslüge fand sich in der Dezemberausgabe 2001 der KONKRET: “Was weiß die CIA über den 11. September?” und “Wer waren die Insider?” wollte Jürgen Elsässer in einem mehrseitigen Interview mit dem Verschwörungsideologen Andreas von Bülow wissen.

Man würde “schon gerne wissen, was die [israelischen Geheimdienste] gewusst und was sie weitergegeben haben” munkelte hier der frühere Bundesforschungsminister, der allein bei KONKRET ein Refugium fand. Es sei “durchaus möglich”, dass die Terroristen Informanten in den US-Geheimdiensten hatten. “Noch interessanter” sei jedoch die Behauptung, “die Linienmaschinen seien am 11. September nicht gekidnappt, sondern über eine ,Hintertür’ in den Bordcomputern unter Ausschaltung der Piloten vom Boden aus in die Ziele gesteuert worden.”

Der Interviewer zeigte sich gegenüber diesen Wahnvorstellungen aufgeschlossen: Es gebe Berichte, so Elsässer, “dass der Krieg gegen Afghanistan … bereits vorher geplant war.”

“Seit dem 11. September wird zurückgeschossen” lautete folgerichtig der Untertitel des Buches, das Elsässer kurz darauf im “konkret-Verlag” veröffentlichte. Dieser Titel spielt auf Hitlers “Seit 5:45 wird jetzt zurückgeschossen” vom 1. September 1939 an. So wie die Nazis für den lange geplanten Überfall auf Polen einen Vorwand inszenierten, um “zurückschießen” zu können, so habe die Bush-Administration im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitung die Terrorangriffe lediglich inszeniert – so die Elsässer-Deutung, der sich das Gros der anti-amerikanischen Linken mehr oder weniger explizit anschloss.

Heute erfahren die vor 20 Jahren geprägten Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie neuen Aufwind – wobei der inzwischen zum Rechtsradikalen mutierte Jürgen Elsässer als Einpeitscher fungiert.

Seit 9/11 hat nicht nur der Antisemitismus stark zugenommen; auch der radikale Islamismus hat an Einfluss zugelegt.

Eine Horrorherrschaft, wie sie der Islamische Staat errichtete, erschien 2001 noch unvorstellbar, auch al-Qaida ist heute nach Einschätzung der Analysegruppe Soufan Group “unermesslich stärker” als zum Zeitpunkt der Anschläge vor 20 Jahren. So soll das Netzwerk weltweit 30.000 bis 40.000 Mitglieder haben – mit Ablegern unter anderem im Nahen Osten, Nordafrika, Südasien und auf der arabischen Halbinsel. Der schmähliche Abzug des Westens aus Afghanistan wird ihm weiteren Zulauf bescheren.

Für diese radikalen Islamisten gab es am 11. September keine Unschuldigen im World Trade Center. Sie alle hatten nach ihrer Islam-Lesart den Tod verdient. An dieser Ideologie hat sich bis heute nichts geändert. Die Frage ist deshalb nicht, ob es weitere Großanschläge wie vor 20 Jahren geben wird, sondern wo und wann.

Im zweiten Teil des Artikels finden sich Passagen, die ich heute so nicht wiederholen würde. Hier habe ich zum Beispiel die internationale Rolle Deutschlands und die Bedeutung der Faktoren, die die deutsche Staatsideologie von der der Briten und Amerikanern unterscheidet, überschätzt. Doch haben einige meiner damals formulierten Kritikpunkte – besonders angesichts der jüngsten Vorgänge in Afghanistan – weiter Bestand.

Das gilt für das Wort vom “Kampf gegen den Terrorismus”, das nicht die strategischen Ziele des Islamismus und dessen Ideologie ins Visier nimmt, sondern diesen Kampf auf die Ausschaltung einer taktischen Methode, die diesem Ziel untergeordnet ist, begrenzt.

Das gilt ebenfalls für die Tatsache, dass von einer transatlantischen “Kampffront gegen den Terrorismus” nie die Rede sein konnte, da Berlin militärische Antworten nur unter äußerst eng gefassten Bedingungen zu unterstützen bereit gewesen ist.

Und dies gilt für meinen 2001 noch extrem umstrittenen Appell: “Da dieser Fall [gemeint ist 9/11; also der antiimperialistische Angriff einer eindeutig antisemitischen Bewegung] in den Kampagnen von Antiimperialisten und Friedensfreunden nicht vorgesehen war, verbietet sich das ,weiter, wie bisher’. ... Selbstverständlich müssen die amerikanische und die britische Politik weiter kritisiert werden. Jedoch nicht deshalb, weil sie die Djihadisten verfolgt, sondern weil sie diese nicht zielgenau und konsequent genug verfolgt.”

Bild: Die brennenden Twin Towers des World Trade Centers in New York City am 11. September 2001. Quelle: Flickr · Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0