Der Blogger Maikel Nabil im Hungerstreik

Während die ägyptische Übergangsregierung dem Hass auf Israel freien Lauf lässt, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, gehört Maikel Nabil zu denjenigen Blogger-Rebellen, die für Freundschaft mit Israel plädieren

Von Matthias Küntzel

Deutschlandradio Kultur, 20. September 2011

Er gehört zu den profilierten Intellektuellen, die der arabische Frühling hervorgebracht hat: Maikel Nabil Sanad.

Der Name des 25-jähren Bloggers geht derzeit um die Welt – nicht, weil er auf den Bühnen der arabischen Hauptstädte brilliert, sondern weil er in Ägypten in Einzelhaft sitzt und weil sein Leben an einem seidenen Faden hängt.

Maikel war der erste Ägypter, der letztes Jahr die Wehrpflicht verweigerte. Seine Begründung: Er lehne es ab, auf israelische Soldaten zu schießen. Er warnte vor den neuen Machtbefugnissen der ägyptischen Streitkräfte und behielt recht, setzt doch das Militär die Praxis wahlloser Verhaftungen und Demütigungen fort – Übergriffe, die Maikel auf seinem Blog akribisch dokumentierte.

Im März dieses Jahres nahmen die Streitkräfte Maikel fest. Man stellte ihn vor ein geheimes Militärgericht und verurteilte ihn wegen Verbreitung von Falschinformationen zu drei Jahren Haft: Ein Urteil, das die Bloggerszene in Ägypten schockierte und die internationale Öffentlichkeit empörte.

Um seine Freilassung zu erzwingen, trat Maikel am 23. August in den Hungerstreik. Seit dem 12. September lehnt er sogar die Einnahme von Getränken ab. Er schwebt akut in Lebensgefahr.

Schon als Jugendlicher las Maikel viel über den Nahostkonflikt, brachte sich selbst Hebräisch bei und erkannte, dass das Mubarak-Regime bestimmte Seiten Israels verschwieg.

„Warum streben wir gegenüber Israel keinen Frieden an? “, lautet die Überschrift einer seiner Aufsätze. Der arabische Frühling, so seine These, werde dies verändern und einem freundschaftlichen Verhältnis mit Israel den Weg bahnen.

Eine schöne Hoffnung, eine schöne Illusion. Denn irrationale Ideologien, dies beweist der arabische Frühling schon jetzt, lassen sich weniger leicht vertreiben, als illegitime Herrscher.

Dies gilt besonders für Ägypten, wo sich in den letzten sechzig Jahren eine antisemitische Sprechweise über den Holocaust, die Juden und Israel geradezu eingeschliffen hat: Dort braucht schon sehr viel Mut, wer für normale Beziehungen mit Israel wirbt.

Bei uns wird die Weitergabe der antisemitischen Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ strafrechtlich verfolgt. In Ägypten aber wurde die Verbreitung dieses judenfeindlichen Klassikers von Staats wegen unterstützt und in Form einer spannend aufgemachten TV- Serie in die ägyptischen Wohnzimmer gebracht.

Während hierzulande die Leugnung des Holocaust oder dessen Befürwortung verboten ist, gehört beides in Ägypten zum akzeptierten öffentlichen Diskurs.

Die Shoah sei eine Lüge und das Tagebuch der Anne Frank „eine Fälschung“, erklärte kürzlich ein Spitzenpolitiker der alteingesessenen Wafd-Partei. Es gab in Ägypten keinen wahrnehmbaren Protest. Aber auch im Westen legte niemand Widerspruch ein.

„Mit jedem Wort, das ich über Israel schreibe, verliere ich mehr Freunde und gewinne Tausende von Feinden hier in Ägypten hinzu“, hatte Maikel auf seiner Homepage geklagt. Soll es bei diesem absurden Zustand bleiben?

Heute geht es darum, Maikels Leben zu retten. Er muss unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden – unabhängig davon, was er sagt. Maikel war zeitweilig in der Democratic Front Party, einer Schwesterpartei der FDP aktiv. Wann endlich macht sich der deutsche Außenminister öffentlich für ihn stark?

Um aber der Lösung des Nahostkonflikts näherzukommen, sollte sich die deutsche Diplomatie endlich dafür einsetzen, dass auch Maikels Botschaft – die Forderung nach Freundschaft mit Israel – auf den Bühnen der arabischen Hauptstädte diskutiert werden kann.

Das „Politische Feuilleton“ von Deutschlandradio Kultur sendete diesen Beitrag am 20. September 2011.

Maikels Blog findet sich
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Informationen über seinen Gesundheitszustand und sein Verfahren finden sich
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