Neuestes Buch:
Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Vorwort zu "Germany and Iran. From the Aryan Axis to the Nuclear Theshold", Nov. 2014, Telospress New York
3. November 2014
Dieses Buch handelt von einer der dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit. Radikale islamistische Bewegungen befinden sich global auf dem Vormarsch – von Jemaah Islamiyah im südlichen Asien bis zu al-Shabaab in Somalia, von ISIS in Irak und Syrien bis Boko Haram in Nigeria.
Angesichts diese Bedrohung reicht es nicht, einfach nur festzustellen, dass der Iran – ein Zentrum des Islamismus! – heute in der Lage ist, Atomwaffen zu bauen. Wir müssen uns fragen, warum die zwanzigjährigen Bemühungen der USA, dieses Atomprogramm zu stoppen, ebenso gescheitert sind, wie die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und die weltweite Sanktionskampagne, die in der Geschichte ihresgleichen sucht.
Warum hat die internationale Iranpolitik ihr vordringliches Ziel, Irans Atomwaffenfähigkeit zu verhindern, nicht erreicht?
Germany and Iran liefert eine Teilantwort. Es handelt von der Uneinigkeit des Westens im Umgang mit Iran. Es zeigt, dass es parallel zu der offenen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Iran stets auch einen versteckten Streit innerhalb des Westens über den Umgang mit Iran gegeben hat. Dieser Streit wurde in den Hinterzimmern der Diplomatie geführt; selten drang davon etwas an die Öffentlichkeit. Zeitweilig waren es Frankreich, Großbritannien und Deutschland, die kampfesfreudig den USA widersprachen, manchmal lagen sich Frankreich und Deutschland über Kreuz, in der Regel aber saß Berlin in der einen und Washington in der anderen Ecke des Rings.
Die Härte dieses Kampfes bekam US-Präsident Bill Clinton zu spüren, als er 1995 den Handel amerikanischer Firmen mit Iran verbot, um auf den Terrorismus des Regimes zu reagieren und dessen Griff zur Bombe zu vereiteln. „Wir haben sie [die Deutschen und Franzosen] ständig ermuntert, sich vom Iran zu distanzieren und die Handelsbeziehungen, so wie wir, zu suspendieren“, schrieb Warren Christopher, Clintons Außenminister von 1993-1997 in seinen Memoiren. „Wir organisierten private Treffen, bei denen wir sie über die von unseren Geheimdiensten gesammelten Erkenntnissen unterrichteten. … Unglücklicherweise blieb bis heute unserem Kampf, unsere Alliierten von Geschäften mit Iran abzuhalten, der Erfolg versagt.“
In der Tat. Die Iraner „waren sich in den Neunzigerjahren über Deutschlands bedeutende Rolle bei der Sprengung der ökonomischen Ketten, mit denen die USA den Iran umgeben, bewusst“, berichtet Hossein Mousavian, der damalige iranische Botschafter in Berlin. Iran betrachte „seine Beziehungen mit Deutschland als ein wichtiges Mittel, um die anitiranische Politik der USA zu umgehen.“
Als Präsident Bill Clinton seinen Kurs 1996 mit dem Iran-Libya Sanctions Act verschärfte, kündigte die Bundesregierung „harte Vergeltungsmaßnahmen“ an. Nach einer Gipfelbegegnung mit Bundeskanzler Helmut Kohl lenkte Clinton ein und sagte zu, die Gesetze in einer Weise anzuwenden, die auf die Interessen deutscher Exporteure Rücksicht nimmt.
Im September 2002 erfuhr die Öffentlichkeit von den waffenrelevanten iranischen Atomzentren in Arak und Natanz und von der iranischen Verletzung der Kontrollbestimmungen des Atomwaffensperrvertrags. Paradoxerweise verschärfte sich jetzt nicht die Auseinandersetzung zwischen Iran und Deutschland, sondern der „Streit mit Amerika über Iran“, so der damalige deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger.
So scheiterten die USA wiederholt mit ihren Versuchen, die Iranakte an den UN-Sicherheitsrat zu transferieren. „Wir haben, wie vereinbart, verhindert, dass die Akten Irans an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet wurde“, erklärte hierzu der damalige deutsche Botschafter in Teheran, Paul Freiherr von Maltzahn, in einem Interview mit der iranischen Tageszeitung Schargh. Zwar „übten die USA auf die drei EU-Staaten Druck aus, aber wir haben nach wie vor unsere eigene Meinung.“
Über seinen Standort zwischen Teheran und Washington äußerte sich im September 2004 der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer: „Wir Europäer haben unseren iranischen Partnern immer geraten, uns als Schutzschild im wohlverstandenen eigenen Interesse zu begreifen.“
Der Dauerstreit zwischen der US-Administration und der Bundesregierung ging weiter. Es gebe „nicht viele Völker“, erklärte der deutsche Botschafter in Teheren, Bernd Erbel, „die wie Deutsche und Iraner über Jahrhunderte hinweg einen lebhaften Austausch gepflegt und daraus Freundschaft, Vertrauen und enge Beziehungen entwickelt haben. Dies stellt einen historischen Schatz dar, den es zu bewahren gilt.“ Erbel äußerte dies in einer Ansprache zum 3. Oktober 2011 in Teheran – zu einem Zeitpunkt, als die internationale Gemeinschaft ihren Druck auf Iran zu verstärken suchte.
Zwar trifft es zu, dass sich die offizielle deutsche Politik an den Wortlaut der Sanktionsbeschlüsse der Vereinten Nationen und der Europäischen Union gehalten hat. Dennoch war das deutsche Motto in all diesen Jahren – so wenig Sanktionen und so viel Handel wie möglich –dem Motto der USA entgegengesetzt.
Es liegt auf der Hand, dass diese Uneinigkeit zwischen den beiden größten westlichen Handelsnationen die Wirksamkeit des Sanktionsregimes beeinträchtigte und den Ausbau des iranischen Atomprogramms erleichterte.
Der deutsch-amerikanische Iranstreit begann aber nicht erst mit dem iranischen Atomprogramm, sondern bereits 1979 mit der iranischen Revolution. Deutschland war das einzige westliche Land, das freundliche Beziehungen mit Khomeinis Iran aufrechterhalten wollte.
Es wurde darin von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini bestärkt, der einen kruden Antiimperialismus mit einer pro-deutschen Haltung verband.
Die deutsch-iranische Sonderbeziehung, die nun begann und bis heute anhält, hat nicht nur die deutsche Freundschaft mit Israel sondern auch die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder und wieder auf die Probe gestellt.
Warum aber war und ist die deutsche Position in Iran so privilegiert? Warum war und ist Deutschland an besonderen Beziehungen zu den Mullahs derart interessiert?
Dieses Buch berichtet über die über 100-jährige Geschichte der deutsch-iranischen Zusammenarbeit, die die deutsche Sonderrolle innerhalb des westlichen Bündnisses erklärt. Es erläutert die politischen, ökonomischen und ideologischen Ursachen jener „rätselhafte Liebesbeziehung zwischen Deutschland und Iran“, die so Josef Joffe, bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts zurückreicht und seither „jeden Krieg, jeden Umbruch, jede Revolution überstanden hat.
Während der Nazi-Zeit war diese „Liebesbeziehung“ besonders eng. So steigerte sich zwischen 1933 und 1941 der deutsche Anteil an den iranischen Einfuhren von 11 auf 43 Prozent, während der Anteil iranischer Exporte nach Deutschland von 19 auf 47 Prozent stieg.
Aus Deutschland wurden aber nicht nur Maschinen und Waffen, sondern auch Antisemitismus und Anti-Amerikanismus nach Iran geschickt.
Das wichtigste Medium dieser Propaganda waren die persisch-sprachige Rundfunksendungen, die zwischen 1939 und 1945 täglich in Berlin angefertigt und in Iran ausgestrahlt wurden. „Jeder Amerikaner kommt eigentlich im Auftrag der Juden nach dem Orient“, hieß es beispielsweise in einer Propagandaanweisung des Orientexperten Fritz Grobba von 1942. „Er ist von den Juden dorthin geschickt, auch wenn er es selbst gar nicht weiß. Die Juden sind die Drahtzieher der Amerikaner.“
Zu den regelmäßigen Hörern dieser Propaganda gehörte ein Mann, der den Vereinigten Staaten noch schwer zu schaffen machen sollte: Ruhollah Khomeini.
Natürlich gehörte auch die gemeinsame Berufung auf das „Ariertum“ seit 1934 zum ideologischen Kitt, der die vermeintliche Freundschaft zwischen Deutschen und Iraner zu begründen half.
Die dritte Dimension dieses Buches – neben der iranbezogenen Geschichte Deutschlands und dem deutsch-amerikanischen Streit über Irans Atompolitik – ruft einige der faszinierendsten Facetten der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und die wichtigsten Etappen seit Gründung der Islamischen Republik in Erinnerung: Die Botschaftsbesetzung (1979-81), der Krieg zwischen Irak und Iran (1980-88), die Fatwa gegen Salman Rushdie (1989), der Mykonos-Skandal (1992-1997), die Reform-Politik des iranischen Präsidenten Mohammed Khatami (1997-2005) sowie der Antisemitismus und die Deutschlandliebe Mahmoud Ahmadinejads (2005-2013).
Heute ist die Frage, wie der Westen mit dem globalen Vormarsch des Islamismus umgeht, besonders dringlich geworden. Diese Buch bietet kein Rezept, liefert aber eine Fall-Studie. Das Beispiel des deutschen Umgangs mit Iran führt vor Augen, wie die globale Auseinandersetzung jedenfalls nicht gewonnen werden kann.
Teil eins und Teil zwei des Buchs beschreiben, wie es zu der besonderen „Liebesbeziehung zwischen Deutschland und Iran“ kam. Schon im Ersten Weltkrieg ließ sich Kaiser Wilhelm II von traditionellen Schiiten als „Hajj Wilhelm Mohammed“ und als Held im Kampf gegen Persiens Erzfeinde Russland und Großbritannien feiern. Zwei Jahrzehnte später griffen schiitische Geistliche auf diese Deutschlandbegeisterung zurück. Jetzt wurde Adolf Hitler als Nachkomme Mohammeds und als schiitischer Messias entdeckt.
Die besonders engen Beziehungen aus der Zeit des Nationalsozialismus wirken nach. So hat Hashemi Rafsandjani, der ehemalige iranische Präsident, noch in 2008 die „strategische Allianz zwischen den beiden Ländern im Zweiten Weltkrieg“ als Vorbild für die Gegenwart gerühmt.
Der dritte Teil – meine Abhandlung über die „Ideologie und Praxis der khomeinistischen Revolution“ – ist aus gutem Grund zentral platziert. Es geht mir darum, Khomeinis besondere Sichtweise auf die Welt anhand der übersetzten Originaltexte so genau wie möglich nachzuvollziehen. Nur so lässt sich die Logik erschließen, die die gegenwärtigen Aussagen von Ali Khamenei, dem Revolutionsführer, steht, bestimmt.
Als Fallbeispiele khomeinistischer Praxis habe ich die Besetzung der amerikanischen Botschaft von 1979 sowie den Einsatz iranischer Kinder auf den Minenfeldern im Krieg zwischen Irak und Iran ausgewählt – zwei Ereignisse, die bei mir anders, als landläufig üblich interpretiert werden.
Der vierte Teil beschäftigt sich mit den deutsche-iranischen Beziehungen seit 1979. Wie haben die deutsche Regierung und Bundestag aber auch Parteien, Institutionen, Intellektuelle, Medien und Künstler in diesen drei Jahrzehnten auf den Khomeinismus und dessen Praxis – die innenpolitische Repression, die Affäre Salman Rushdie, die Morde im Berliner Mykonos-Restaurant – sowie auf dessen Ideologie – zum Beispiel Antisemitismus, Israelhass und Holocaust-Leugnung – reagiert? Mit diesem Buchabschnitt betrete ich Neuland. Über jene dreißig Jahre liegt auch international keine Ausarbeitung vor.
Der fünfte Teil befasst sich mit der Geschichte des Atomkonflikts. Meine Darlegung konzentriert sich auf die Diplomatiegeschichte des Nuklearkonflikts – eine Geschichte, die nicht nur von dem Gegensatz zwischen dem Westen und Iran, sondern auch durch die Differenzen zwischen Deutschland und den USA geprägt ist.
Als dieses Buch im Oktober 2009 in Deutschland erschien, wurde es oft und in der Regel positiv rezensiert. Es ist bis heute die einzige systematische Untersuchung des deutsch-iranischen Freundschaftsverhältnisses geblieben.
Das eigentliche Ziel, eine ernsthafte Debatte über die bisherige deutsche Iranpolitik auszulösen, wurden jedoch nicht erreicht. Es erwies sich als unmöglich, einen Jahrzehnte alten Konsens aufzubrechen, denn alle politischen Parteien mehr oder weniger teilen.
Auf besondere Beachtung stieß das Buch bei iranischen Exilanten. Dies Interesse wuchs erheblich, nachdem der Kölner Farough-Verlag 2012 die persische Ausgabe dieses Buches in der Übersetzung von Michael Montasheri veröffentlichte.
Diese Schrift ist eine erste umfassende Einführung in die Thematik, mehr nicht. Deswegen freut es mich, dass inzwischen erste wissenschaftliche Arbeiten erschienen, die auf Basis der persischen Übersetzung den Ansatz meines Buches aufgreifen und weiterentwickeln. Weitere Studien müssen folgen.
Abgesehen von minimalen Änderungen ist das vorliegende Buch mit der deutschen Ausgabe von 2009 identisch. Der Text wurde lediglich um einen Epilog ergänzt, der die Entwicklung der Auseinandersetzung zwischen 2009 und 2014 – einschließlich des „Genfer Akommens“ von November 2013 – aufgreift und kommentiert. Mein Dank gilt meinen vielen iranischen, amerikanischen, israelischen und deutschen Kollegen und Freunden, die meine Studien seit Jahren ermutigen und mit kritischen Kommentaren fördern. (…)
Hamburg, den 1. Juli 2014.