Neuestes Buch:
Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Oktober 2005
Eigentlich standen die Internationalen Verlage in Halle 5 der Frankfurter Buchmesse nicht auf meinem Plan. Doch hatte ich vor Abfahrt meines Zuges noch einigen Minuten Zeit, besuchte die Halle und war überrascht, in welchem Ausmaß der Iran hier vertreten ist. Die Stände aus dem Iran scheinen weit mehr Hallenplatz einzunehmen, als alle hier vertretenen Länder der Arabischen Liga zusammen.
Nun ist zwar bekannt, dass die Staatsführung des Iran die Existenz eines Mitgliedsstaats der Vereinten Nationen, Israels, auslöschen will. Und es ist bekannt, dass Teheran zu diesem Zweck einen kruden Antisemitismus in alle Welt exportiert.
Doch überraschte mich, wie offen dies auch auf der Buchmesse geschieht. Ich meine nicht die mehrere Hundert Regalmeter iranischer Literatur, die in Halle 5 ausgestellt sind. Ich rede von Broschüren, die der Iran hier auf Englisch präsentiert – nicht, um die Literatur des eigenen Landes zu präsentieren, sondern um den Antisemitismus europäischer und US-amerikanischer Provenienz zu verbreiten.
Da wird unter der Überschrift „Jewish Conspiracy“ der Text angeboten, der Hitlers Antisemitismus wie kein anderes Werk beeinflusste: Die „Protokolle der Weisen von Zion“, diesmal herausgegeben von der „Islamic Propagation Organization“ der „Islamic Republic of Iran“.
Die ersten Seiten dieser Broschüre umreißen in Form einer aus Dreiecken gebildeten Schlange das Gebiet, dass hier als „Map of ,Greater Israel’“ vorgestellt wird: große Teile von Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Irak, Teile der Türkei sowie die Nordhälfte Saudi-Arabiens. Jedes Einzeldreieck, heißt es in der Erläuterung, symbolisiere das „Freemasony Eye“, das Auge der Freimaurer, ein angebliches „Symbol of Jewry“.
Auf den nächsten Seiten erklärt uns das „International Relations Department“ des Iran den Zweck der Veröffentlichung: Man wolle „das wirkliche Antlitz des satanischen Feindes offen legen“ um „die Moslems wachzurütteln“. Der Zionismus sei „ein tödlicher Krebstumor“, der vollständig zu vernichten sei. Unter Rückgriff auf ein Zitat von Khomeini wird die Tötung der Israelis propagiert.
Es folgt eine Zusammenstellung von Zitaten wie dem folgenden: „Die Vereinten Nationen sind der Zionismus. Es ist die Super-Regierung, die vielfach in den ,Protokolle der Weisen von Zion’ erwähnt ist“. Nachdem einem Aufruf zum „Djihad gegen diese Bedrohung“, folgt der Wortlaut des antisemitischen Traktats.
Auch der zweite berüchtigte Klassiker des Antisemitismus: Henry Fords „The International Jew. The World’s Formost Problem“ wird in Halle 5 der Buchmesse „In the name of Allahm (sic) the Beneficent, the Merciful“ in 200-seitiger Kurzfassung präsentiert und verkauft. Herausgeber ist das „Departement of Translation and Publication, Islamic Culture and Relations Organization“ der “Islamic Republic of Iran”. In seiner Vorbemerkung schreibt der Herausgeber, dass „die Macht des jüdischen parasitären Einflusses [seit der Zeit von Henry Ford] stets zugenommen hat. Die jüdische Gefahr – heute Zionismus genannt – bedroht nicht nur eine Nation, sondern richtet sich gegen die gesamte Menschheit.“ Anschließend folgt Henry Fords Machwerk von 1921 in einer Version, die erstmals 1970 in Pakistan vom „World Muslim Congress“ verbreitet wurde. Interessant sind die zahlreichen Fußnoten, die von iranischer Seite dem Text hinzugefügt worden sind: Da ist zum Beispiel die Rede von der „Machtausweitung“ der Juden während des Zweiten Weltkriegs (S. 39) und dem deutschen „Widerstand“ gegen jene „jüdische Kontrolle“ (S. 52). Saldam Rushdie wird als ein Beispiel für die Bösartigkeit jüdischer Verleumdungen präsentiert (S. 77) und wir erinnern uns: 1989 rief der iranische Staatschef Khomeini die Muslime in aller Welt dazu auf, den indischen Autor zu töten, da er in seinem Buch „Die Satanischen Verse“ den Islam beleidigt habe. Für seinen Tod wurde ein Kopfgeld von 3 Millionen US-Dollar ausgesetzt. 1998 erklärte die Führung des Iran, von Staats wegen keine Schritte zur Tötung Rushdies einleiten zu wollen. Die Fatwa aber blieb in Kraft: Khomeinis Aufruf an die Muslime der Welt gilt bis heute, weshalb sich Rushdie nach wie vor öffentlich nicht zeigen kann.
Ein drittens antisemitisches Machwerk fiel mir bei meinem raschen Rundgang durch Halle 5 schon aufgrund seines grellen Titels ins Auge: Ein roter Davidstern über einem grauen Totenkopf und einer gelben Karte von der Welt. Es trägt den Titel „Tale of the ,Chosen People’ and the Legend of ,Historical Right’“ und ist von Mohammad Taqi Taqipour verfasst. Herausgeber ist erneut der iranische Staat. In seinem Vorwort gibt sich der Autor siegessicher: Israel werde angesichts der „globalen islamischen Bewegung“ bald schon von der Landkarte verschwunden sein.
Sollte tatsächlich von diesen Broschüren, die schon dem flüchtigem Besucher der Messe ins Auge fallen, niemand sonst etwas bemerkt haben? Was ist zum Beispiel mit den Mitarbeitern der Deutschen Welle und des Auswärtigen Amts, die sich ebenfalls in Halle 5 – nur wenige Schritte von den iranischen Ausstellern entfernt – präsentieren? Die Deutsche Welle empfiehlt sich auf der Messe als „Brücke zur islamischen Welt“ und auch das Auswärtige Amt verteilt hier seine „Dialogue with the Islamic World“-Broschüre, in der es heißt: „Peace-building, too, may require dialogue with extremists.“
Wurde aber mit den iranischen Ausstellern über die Präsentation jenes nazihaften Antisemitismus gesprochen oder wurden (wieder einmal) beide Augen zugedrückt? Was sagt der Direktor der Buchmesse, Jürgen Boos, zu der Tatsache, dass ein Aussteller dieser Messe mit englischsprachiger Propaganda zur Auslöschung Israels aufruft? Welche Schlussfolgerung werden Herr Boos und die deutsche Öffentlichkeit in Bezug auf eine Teilnahme des Iran an der Buchmesse 2006 ziehen?