Neuestes Buch:
Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Vortrag anlässlich des Projekts "Die Selbstgerechten unter den Völkern - Reaktionen auf den 7. Oktober" der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung
Universität Trier, 2. Mai 2024
Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit Antisemitismus und seinen Folgen, aber nichts hat mich derart fassungslos gemacht und regelrecht aus der Bahn geworfen, wie die Massaker des 7. Oktober und die bis heute anhaltenden Pro-Hamas-Demonstrationen der westlichen Linken. Auf diese beiden Punkte möchte ich näher eingehen.
Am 7. Oktober traten die radikalen Feinde Israels in Aktion. An diesem Tag wurden den Israelis und den Juden nicht einfach ein Krieg erklärt; hier wurde ihre Auslöschung angekündigt. Die Verbrennung ganzer Familien, die Verstümmelungen, die brutalstmöglichen Vergewaltigungen und die Folterungen – all dies war kein Werk von gemeinen Mördern, die zum eigenen Vorteil oder aus Berechnung getötet haben, sondern von pathologischen Judenfeinden, in deren Augen jeder Jude schuldig ist, weil er Jude ist und die deshalb eine edle und höhere Mission verfolgen: die Welt judenrein zu machen.
Man werde ein Massaker wie dieses stets wiederholen, erklärte die Hamas, bis Israel gänzlich vernichtet sei. Und es ist ganz klar: Wären die israelischen Streitkräfte am 7. Oktober nicht dazwischen gegangen, hätten die Vernichtungskommandos der Hamas ohne Ende weiter gemordet. Der 7. Oktober 2023 offenbarte einen brutalen Vernichtungswillen, von dem Israel und Jüdinnen und Juden weltweit bedroht sind. Wie ist dieser Vernichtungswille ideologisch und historisch zu erklären? Ich komme auf diese Frage zurück.
Wie Sie wissen, hatten die Täter des 7. Oktober ihre sadistischen Exzesse auf Videos festgehalten und im Netz verbreitet. Es war deshalb noch nie so leicht, wie nach dem 7. Oktober, spontan für die richtige Seite Partei zu ergreifen und dem entsprechend zu handeln. Als umso schockierender empfand ich die Tatsache, dass das Gegenteil passierte: Dass sich nicht die Solidarität mit den Opfern des Massakers von selbst verstand, dass man nicht innehielt, um zu begreifen, was da überhaupt vor sich gegangen war, sondern dass viele noch am selben Tag und vielerorts damit begannen, die Greueltaten der Hamas zu feiern und Israel für sie verantwortlich zu machen; dass eine Ikone wie die jüdische Philosophin Judith Butler entgegen aller Evidenz erklären konnte, dass es „sich nicht um einen terroristischen Angriff und auch nicht um einen antisemitischen Angriff“ gehandelt habe, sondern „dass der Aufstand vom 7. Oktober ein Akt des bewaffneten Widerstands war“.
Ein Widerstand gegen Babies, die verbrannt oder geköpft wurden, gegen Frauen, die verstümmelt und vergewaltigt wurden, gegen israelische Peace-nics, die getanzt hatten, bevor sie gefoltert und erschossen wurden. Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid formulierte es so: „Die Menschen sahen, wie Juden ermordet, vergewaltigt und gefangen genommen wurden, und beschlossen, dass die Juden daran Schuld waren. Sie sahen, dass Juden Opfer eines Terroranschlags wurden, und das hat ihren Hass auf Juden nur verstärkt.“ Auch das ist erklärungsbedürftig und ich komme darauf zurück.
Von 1941 bis 2023
Beginnen wir also mit dem 7. Oktober. Wie ist der Vernichtungswille der Hamas ideologisch und historisch zu erklären? Meine Antwort hat mit dem Grundsatzprogramm der Hamas, ihrer bis heute gültigen Charta von 1988, zu tun. Wir dürfen den Einfluss von Ideen auf den Verlauf von Geschichte nicht unterschätzen.
Es war nicht nur das bestialische Vorgehen der Täter vom 7. Oktober, das an die Untaten der Nazi-Einsatzgruppen erinnerte. Sondern es ähneln sich auch die ideologischen Begründungen, wie man der Hamas-Charter entnehmen kann. Darin werden nicht Israel, sondern „die Juden“ zum Weltfeind erklärt, zu einem Weltfeind, der angeblich die Medien und die Vereinten Nationen beherrsche und für alle Revolutionen dieser Welt verantwortlich sei.
Mehr noch: Genau wie die Nazis behauptet auch die Charta, dass die Juden nicht nur den Ersten Weltkrieg sondern auch den Zweiten Weltkrieg angezettelt hätten: So heißt es in Artikel 22: „Sie standen hinter dem Ersten Weltkrieg, wo sie es schafften, den Staat des islamischen Kalifats zu beseitigen …, und sie standen hinter dem Zweiten Weltkrieg, wo sie gewaltige Profite aus ihrem Handel mit Kriegsgütern erzielten … . Es gibt keinen Krieg, der hier oder da in Gang ist, ohne dass sie ihre Finger dahinter im Spiel haben.“ Und ebenso wie Adolf Hitler in „Mein Kampf“ führt auch die Charta die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ als Beleg für jüdisches Verhalten an. Es handelt sich um einen Judenhass, der so „klingt, als ob er direkt von den Seiten des Stürmer abgeschrieben“ sei, hat ein palästinensischer Politiker, Sari Nusseibeh, zutreffend bemerkt.
Bekanntlich waren die Nazis die ersten antisemitischen Antizionisten. Sie wollten einen jüdischen Staat um jeden Preis verhindern. Deshalb sorgten sie dafür, dass ihr Judenhass auch im Nahen Osten verbreitet wird. Ich möchte diesen Ideologie-Transfer, über den ich zwei Bücher geschrieben habe, heute in nur zwei Sätzen skizzieren: Hitlers wichtigster arabischer Partner im Kampf gegen die Juden war der Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini, der von Berlin aus die antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus mithilfe von arabisch-sprachigen Radiosendungen im arabischen Raum verbreitete.
Von ihm führt nachweisbar eine direkte Linie zum Judenhass der ägyptischen Muslimbruderschaft, deren palästinensischer Ableger die Hamas ist. Soviel zu dem Einfluss der Nazis. Die ideologische Kontinuität, die das Jahr 1941 mit dem Jahr 2023 verbindet, liegt offen zutage.
Der Djihad der Hamas
Gleichzeitig ist die Hamas-Charta ein tiefreligiöses Dokument des Djihad, das den Koran 33 Mal zitiert und das die Vernichtung von Juden zur religiösen Pflicht erklärt. Einerseits werden hier alle Juden für vogelfrei erklärt, die sich weigern, Mohammeds Gebot aus dem Jahr 629 zu befolgen und als vielfach diskriminierte Dhimmis die Überlegenheit der Muslime anzuerkennen. Andrerseits schwört die Hamas in Artikel 7 ihrer Charta in Anlehnung an einen Hadith aus dem 7. Jahrhundert, „das Versprechen Gottes zu verwirklichen“, demzufolge die „Stunde der Auferstehung“ nicht kommen werde, „bis die Muslime gegen die Juden kämpfen. Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: ,Oh Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn.‘“ Im Nachhinein liest dies diese Passage wie eine Gebrauchsanweisung für das sadistische Agieren der Täter des 7. Oktober.
In Artikel 8, direkt im Anschluss, macht sich die Hamas die zentrale Losung der ägyptischen Muslimbruderschaft zu eigen, die den folgenden Wortlaut hat: „Gott ist ihr Ziel, der Gesandte Gottes ihr Vorbild, der Koran ist ihre Verfassung, der Dschihad ist ihr Weg, und der Tod für die Sache Gottes ist ihr erhabenster Wunsch.“
Was aber bedeutet zum Beispiel der Slogan Der Koran ist unsere Verfassung? Er bedeutet, dass „Free Palestine“ ein Gottesstaat werden soll, in dem der Koran als Verfassung, also als oberstes Gesetz gilt. Also: Todesstrafe für Homosexuelle oder für Pärchen, die Hand in Hand gehen, ohne verheiratet zu sein. Von der Masse der heutigen Pro-Palästina-Demonstranten würde es kaum jemand länger als zwei Stunden in dieser theokratischen Diktatur aushalten.
Was bedeutet der Aufruf: Der Djihad ist unser Weg? Er bedeutet, dass Friedensverhandlungen nicht nur abgelehnt, sondern aktiv torpediert werden. So ging es der Hamas am 7. Oktober erklärtermaßen darum, den Annäherungsprozess zwischen Saudi-Arabien und Israel zu zerstören. Ein Frieden mit Israel, der auch den Palästinensern zugutekäme: Das ist der Alptraum der Hamas-Führung, die Israels Zerstörung will.
Die abschließende Losung der Muslimbruderschaft lautet: Für Allah zu sterben ist unser erhabenster Wunsch. Sie bedeutet, dass der Opfertod im Kampf gegen Israels den Vorrang vor dem Erhalt des eigenen Lebens hat. „Ihr liebt das Leben – wir lieben den Tod“, so lautet die Parole. Dem Koran zufolge sichert der Märtyrer-Tod dem Getöteten einen Vorzugsplatz im Paradies. Daraus resultiert für Djihadisten eine win-win-Situation: Entweder sie siegen im Diesseits oder sie sterben und kommen in den Paradies-Genuss des Jenseits.
Für Islamisten hat aber nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben anderer Muslime keinen Wert: Sie werden massenhaft als menschliche Schutzschilde missbraucht und geopfert. Hamasführer Ismail Haniyeh formuliert es so: „Wir brauchen das Blut der Frauen, Kinder und der Alten von Gaza, um unseren revolutionären Geist mit Leben zu erfüllen.“ Und in der Tat: Ohne diese menschlichen Schutzschilde wäre die Hamas sehr schwach und längst besiegt. Das Blut unbeteiligter Zivilisten ist ihre stärkste Waffe. Während in allen anderen Kriegen Waffen die Menschen schützen sollen, sind es in dem Krieg, den die Hamas gegen Israel führt, Menschen, die mit ihren Körpern die Waffen schützen sollen. Je mehr arabische Zivilisten dabei umkommen, desto besser für die Hamas- Propaganda.
Wir sehen derzeit täglich Bilder von dem furchtbaren Elend und Leid der Palästinenser. Dass und wie sie von der Hamas als Schutzschilde missbraucht werden, das aber sieht man nicht.
Man kann gewiss nicht alles verteidigen, was Israel im Gaza-Krieg macht. Aber eine Kritik an Israel, die nicht berücksichtigt, dass die Hamas mit ihrer Taktik der menschlichen Schutzschilde permanent Kriegsverbrechen begeht, ist unlauter. Denn für Israel resultiert daraus eine loose-loose-Situation: Entweder es verliert den Raketenkrieg, weil es sich nicht wehren kann oder es wehrt sich und verliert, wie wir es gerade erleben, den Propagandakrieg.
Das Massaker der Hamas hatte somit zwei Motive: den Hass auf Juden und die Einbettung in eine islamische Tradition. Wer die religiöse Komponente ignoriert – dies ist im Westen der Regelfall – kann die innere Logik ihres Verhaltens nicht verstehen.
Judenhass der Nazis = Judenhass der Hamas?
Zwischen dem Judenhass der Nazis und dem der Hamas gibt es aber nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch wichtige Unterschiede. Was sind die Gemeinsamkeiten? Sie bestehen zum Beispiel darin, dass Juden im Vorfeld der Massaker dehumanisiert werden. Bei den Nazis galten sie als „Ungeziefer“ bei den Islamisten gelten sie als „Affen“ oder „Schweine“.
Das iranische Regime bezeichnet Israel immer wieder als einen „bösartigen Tumor“. Was bedeutet dieses Bild? Ein Tumor ist heimtückisch, er ist expansiv und er ist tödlich. Man muss ihn entfernen und in die Abfalltonne werfen. Das Bild vom Tumor bezeichnet Israel mit seinen fast 10 Millionen Einwohnern als Dreck, der in die Tonne gehört.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die paranoide Projektion. Die Nazis waren davon überzeugt, dass die Juden Deutschland vernichten würden, wenn man ihnen nicht zuvorkäme. Sie projizierten die eigenen Vernichtungsphantasien auf die Juden. Bei den Islamisten sehen wir dasselbe: sie glauben und sie propagieren täglich und stündlich, dass die Juden nicht nur die Al Aqsa-Moschee, sondern den Islam insgesamt vernichten wollten.
Aus diesem Hirngespinst erwächst eine dritte Gemeinsamkeit: sie liegt in dem, was der Holocaust-Forscher Saul Friedländer als „redemptive antisemitism“, als Erlösungsantisemitismus, bezeichnet hat. Ebenso wie die Nazis glaubt auch die Hamas den eigenen Lügen über den destruktiven Einfluss der Juden weltweit. So wie den Nazis die Zerstörung des Judentums als das entscheidende Mittel galt, um die Welt mit einem ewigen deutschen Frieden zu beglücken, so basiert auch der Antisemitismus der Hamas auf einer destruktiven Utopie, der zufolge die Vernichtung der Juden die Voraussetzung für die Befreiung der Menschheit unter dem Vorzeichen des Islam sei.
Während somit die Binnenlogik der antisemitischen Wahnidee wichtige Gemeinsamkeiten zwischen dem Judenhass der Nazis und dem der Hamas aufweist, dominieren bei der Ausführung der Mordtaten eindeutig die Unterschiede.
Während die Nazis die Verbrechen der Shoa notdürftig zu verstecken suchten, rüsteten sich die Hamas-Islamisten mit Bodycams und Helmkameras aus, um ihre bestialischen Morde über die sozialen Medien zu verbreiten. Sie wollten die ganze Welt als Zuschauer an ihren Grausamkeiten teilhaben lassen, um „den Terror in das Herz des Feindes zu injizieren“, wie Pierre André Taguieff schreibt, um besonders bei Juden Panik und Verzweiflung auszulösen und um gleichzeitig die „Gläubigen“ mit ihrem Jubel und ihrer Siegesgewissheit anzustecken.
Hier brechen sich religiöse Gewissheiten ihre Bahn: Das Allahu akbar, das die wie im Blutrausch begangenen Verbrechen begleitete, zeugte von dem Spaß, den die Mörder bei ihren Verbrechen hatten und beweist, dass extreme Gewalt extremes Vergnügen hervorrufen kann. „Ich habe zehn Juden mit meinen eigenen Händen getötet“, jubelte ein Hamas-Terrorist, als er inmitten des Massakers vom 7. Oktober seine Eltern anrief, um ihnen die gute Nachricht zu überbringen und Fotos als Beweis zu schicken.
Bei den Nazis hingegen war das Pogromhafte verpönt. Hier wurde ein riesiger bürokratischer Apparat in Gang gesetzt, um den millionenfachen Mord an Juden „sachlich“ und mit kaltem Blut zu vollziehen. Die Ausrottung der Juden war eingebunden „in eine intellektuell anspruchsvoll drapierte und ,rationalen‘ Prinzipien folgende Analyse“, wie Ulrich Herbert schreibt.
Das macht den islamischen Antisemitismus nicht harmloser. Während aktuell selbst Nazis den Holocaust eher leugnen, als anpreisen, haben führende Islamisten wie Sayyid Qutb und Yusuf al-Qaradawi den Holocaust offensiv verteidigt. Ich zitiere, was der prominente Muslimbruder al-Quaradawi 2009 im TV-Sender Al-Jazeera verbreitete:
Im Laufe der Geschichte hat Allah den Juden Personen aufgezwungen, die sie für ihre Korruption bestrafen. Die letzte Bestrafung wurde von Hitler durchgeführt. Er hat es geschafft, ihnen ihren Platz zuzuweisen. Dies war eine göttliche Bestrafung. So Allah will, wird die nächste Bestrafung seitens der Gläubigen erfolgen.
Qaradawi hofft also, dass es das nächste Mal die Muslime sein werden, die den Juden, sprich: Israel, eine dem Holocaust vergleichbare „göttliche Strafe“ zufügen. Für diese Aufgabe rüsten sich heute die Islamisten im Iran. Sie berufen sich auf den Islam, um künftige Massenverbrechen zu legitimieren. Der 7. Oktober hat gezeigt, dass wir derartige Ankündigungen ernst nehmen müssen. Hier wird mit brutaler Offenheit ein neuer Holocaust, also Israels Ende, als von Gott gewünschte Bestrafung angekündigt. Mit eben dieser offenen Brutalität wurde das Massaker vom 7. Oktober, als ein erster Schritt dorthin, in Szene gesetzt.
Das Blutbad und die ,progressiven’ Bewegungen
Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, den globalen Reaktionen auf die Ermordung von 1.200 Israelis. Die zahllosen Jubeldemonstrationen der radikalen Feinde Israels zugunsten der Hamas markieren den Beginn eines neuen Abschnitts in der Geschichte des Antisemitismus. Ganz offenkundig hat die mehrstündige Wehrlosigkeit der Opfer des 7. Oktober jene beflügelt, die sich nichts sehnlicher wünschen als das Ende jüdischen Lebens. Demgegenüber ließ die globale Linke die terrorisierten Juden – die in der ganzen Welt und die in Israel – schamlos im Stich. Sie hat das Massaker entweder begrüßt oder mit ausweichenden Floskeln abgetan. Zutreffend schreibt Susie Linfield:
Der 7. Oktober hat die lange schwelende theoretische Verwirrung und die moralische Leere offenbart, die in vielen der heutigen ,progressiven‘ Bewegungen vorherrschen. Eine Linke, die nicht in der Lage ist, ein Blutbad zu erkennen, selbst wenn es von den Mördern selbst gefilmt und weltweit publik gemacht worden ist.“
Besonders auffällig ist die radikale Parteinahme gegen Israel an westlichen Universitäten. Jüdische Stimmen werden unterdrückt, während die Gewalt der Hamas gefeiert wird. An der Columbia-University in New York werden Parolen wie „We are Hamas“, „Oh Hamas, oh loved one, strike Tel Aviv“, „Go back to 1948“ oder „There is only one solution – intifada revolution“ gerufen.
Viele Professoren und andere Fakultätsmitglieder, deren Seminare über den Nahen Osten immer schon auf den Geschichtsfälschungen der PLO basierten, haben sich solidarisiert. Sie scheinen die Gaza-Soli-Camps als lehrbuchreife Verwirklichung ihres Anliegens zu begreifen.
Wer das Programm und die faschistischen Herrschaftsmethoden der Hamas kennt, kann nur darüber staunen, dass Menschen, die sich selbst als progressiv bezeichnen, zugunsten der Hamas auf die Straße gehen. Wir haben es hier mit einem Extremfall von Wirklichkeitsverleugnung zu tun. Hintergrund dafür sind die postkolonialen Studien, die den antiimperialistischen Diskurs der traditionellen Linken beerbt haben.
Diese Studien beharren auf einem binären Weltbild, das Israel den „Herrschern“ und „Unterdrückern“ und Palästina den Unterdrückten zuordnet. Deshalb wird jede antiisraelische Gewalt den Israelis angelastet, die immer schuldig sind, egal, was sie erleiden. Die Palästinenser hingegen können, egal was sie tun, immer nur Opfer sein. Aus diesem Tunnelblick folgt: Je schlimmer der arabische Terror, desto größer Israels Schuld. Oder in den Worten von Jair Lapid: „Sie sahen, dass Juden Opfer eines Terroranschlags wurden, und das hat ihren Hass auf Juden nur verstärkt.“
Kampagnen gegen Israel
Diese dichotome Denkweise, die sich um gesellschaftliche Realitäten nicht schert, wird seit Jahrzehnten durch „progressive“ globale Kampagnen gestützt, die ausschließlich dem Versuch dienen, Israel als „Jude“ unter den Völkern auszugrenzen und der Vernichtung preiszugeben.
So hatte 1975 die UN-Vollversammlung infolge einer von der Sowjetunion angeführten Kampagne den Zionismus als “eine Form von Rassismus und rassischer Diskriminierung” verurteilt und damit Israel an den Pranger gestellt. Dieser Beschluss wurde 1991 annulliert.
2001 folgte die Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban (Südafrika). Hier wurde auf einer parallel stattfindenden NGO-Konferenz Israel vorgeworfen, Apartheid zu praktizieren, was ebenfalls gelogen war, aber für eine weitere globale Anti-Israel-Kampagne – diesmal vom Iran angeheizt – reichte.
Ende 2023 folgte dann der bislang provokanteste Coup: Ich meine damit die Völkermord-Klage gegen Israel, die Südafrika beim Internationalen Gerichtshof eingereicht hat. Israel, heißt es hier, wolle den Genozid und sei dabei, mit voller Absicht das palästinensische Volk auszulöschen. Diese Anschuldigung ist besonders krass. Denn es ist die Hamas, die den Ausrottungskrieg gegen Juden propagiert, wie wir schwarz auf weiß nachlesen können.
Darüber hinaus steht diese in Den Haag eingereichte Genozid-Anklage in einer uralten antisemitischen Tradition, einer Tradition, bei der immer wieder Vernichtungsphantasien der Antisemiten auf Juden projiziert wurden. So, wie sie heute angeblich Völkermord an Palästinensern begehen, sollen sie früher die Brunnen vergiftet und die Pest eingeführt haben.
Oder nehmen wir die Ritualmordlüge: Um Pogrome zu schüren, wurde Juden immer wieder unterstellt, christliche Kinder zu töten, um deren Blut bei den Speisen zum Pessah-Fest zu verwenden. Tausende Juden wurden deshalb getötet, ohne dass ein einziger Ritualmord belegt wurde.
Damals wie heute funktionieren antisemitische Lügen ohne jeden Beweis. Wenige Tage nach Südafrikas neuer Ritualmordlüge zogen Hunderte in Philadelphia zu einem Restaurant im jüdischen Besitz und skandierten: „Goldie, Goldie you can’t hide, we charge you with genocide“. Natürlich versteht sich dieser Antisemitismus stets als Parteinahme für „die Unterdrückten“ des globalen Südens; es ist ein „hypermoralischen Antisemitismus aus bestem Gewissen.“
Israels Sieg
Einen weiteren Aspekt möchte ich wenigstens erwähnen, weil er mir wichtig erscheint: Eine akademische Elite, die der Hamas Beifall klatscht, arbeitet objektiv am Selbstmord der liberalen Demokratien. So, wie der Antisemitismus nicht nur Juden angreift, sondern das Prinzip der offenen Gesellschaft, so verteidigt derzeit Israel mit seinem Krieg gegen die Hamas nicht nur sich selbst, sondern die gesamte westliche Welt, der die radikalen Islamisten – von Teheran, Moskau und Peking unterstützt – den Krieg erklärt haben.
Die Frauen und Männer in israelischer Uniform kämpfen gegen Feinde, die den liberalen Demokratien erklärtermaßen den Garaus machen wollen. Sie setzen dafür ihr Leben aufs Spiel und verdienen – bei aller Kritik an Netanjahu – unsere Solidarität.
Die immer lauter werdenden Rufe nach einem Waffenstillstand beweisen nur eins: Dass viele Regierungen, auch die deutsche, nicht verstehen, dass Israel mit dem Rücken zur Wand steht und um seine Existenz kämpfen muss. Denn nur dann, wenn dieser Krieg eindeutig zugunsten Israels entschieden wird, besteht die Chance, dass erstens die Israelis ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein zurück erlangen und dass zweitens der Iran abgeschreckt wird, mithilfe seiner Schattenarmeen die Auslöschung Israels ins Werk zu setzen.
Der laufende Krieg ist ein Krieg, der über die Zukunft entscheidet. Er wird auch deshalb geführt, um Teheran zu verdeutlichen, dass selbst ein katastrophaler Überfall wie der des 7. Oktober einer noch katastrophalere Antwort provoziert.
Ich komme zum Schluss: Die radikalsten Feinde Israels – das sind die Antisemiten, die nicht nur Israel, sondern die Juden vernichten wollen und dies – wie der Iran und seine Proxies – als religiöse Mission verstehen. Meine Schlussfolgerungen:
Es muss erstens sehr viel mehr über Antisemitismus geredet und geforscht werden. Anders als von sogenannten Nahostexperten behauptet, braucht der Antisemitismus keinen Anlass. Er hat – wie das Beispiel der Hamas demonstriert –auch nichts mit „Verzweiflung“ oder dem bestimmten Verhalten einer israelischen Regierung zu tun. Hier ist schierer Hass und die bösartigste aller Ideologien am Werk, die quasi aus sich selbst heraus Menschen zu Mördern macht. Der 7. Oktober konnte geschehen, weil man den Judenhass der Hamas als bloßes Gerede abtat und sich damit beruhigte, dass selbst größte Judenhasser an ihrer eigenen Zerstörung kein Interesse haben können. Welch ein Irrtum!
Zweitens zielt heute die mit Abstand wichtigste Variante des Antisemitismus auf die Zerstörung Israels. Wird Israel überleben? Die Antwort auf diese Frage ist offen, weil der Sieg der Hamas am 7. Oktober die Kräfte des Islamismus in der Region ermutigt und gestärkt hat. Diese Kräfte arbeiten unter iranischer Führung an der Auslöschung Israels, wobei sich das Mullah-Regime diverser Schattenarmeen bedient: In Jemen, im Irak, in Syrien, im Libanon, in der Westbank und in Gaza. Hier wird ein ring of fire um Israel gelegt und durch die Atombewaffnung des Iran verstärkt.
Die Antwort auf die Frage: „Wird Israel überleben?“ ist aber auch deshalb offen, weil der Schock des 7. Oktober viele Israelis grundlegend verunsichert hat. Der israelische Dramatiker Joshua Sobol formulierte es so: „Es war für die Israelis wie eine Holocaust-Erfahrung, auch wenn es viel weniger Menschen betroffen hat. Aber es hatte den Geruch davon.“ Und natürlich sollte der Horror des 7. Oktober genau dieses Trauma – die Erinnerung an vergangene Pogrome und den Holocaust – revitalisieren. Die Juden sollten erkennen, dass es für sie keine Sicherheit gibt. Die Israelis, schrieb der israelische Historiker Dror Wahrman am 2. Mai in der FAZ, „fühlen sich umzingelt und bedroht und sind nicht mehr sicher, dass ihr Land seinen hundertsten Geburtstag erleben wird.“
Drittens geht es bei der Auseinandersetzung zwischen Israel und seinen Feinden um das künftige Antlitz der Welt. Sollten Militäreinheiten der Hamas den jetzigen Krieg überleben, wäre dies ein Sieg des Iran und dessen engste Verbündete in Moskau, Peking und Pjöngjang und ein gewaltiger Rückschlag für die Demokratien.
Israel ist heute Symbol für Anderssein und Differenz. Das Gegenkonzept der Hamas ist die faschistisch durchgesetzte Homogenität. „Israel ist kein besseres Land als andere Länder“ schrieb ich in Djihad und Judenhass, „aber seine Existenz entscheidet über die Zukunft der Welt.“
Die Videoaufzeichnung dieses Vortrags (plus Diskussion ab 40:00) findet sich hier.
Informationen über die Online-Vortragsreihe der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung finden Sie hier.
Bild: IDF-Soldaten im Gaza-Streifen, November 2023 · Quelle: https://idfanc.activetrail.biz/ANC021120236846854 · Autor: IDF Spokesperson’s Unit photographer · Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported