Teheran in Frankfurt
Die Buchmesse und ihr entspanntes Verhältnis zu Iran
von Matthias Küntzel
Wenn in
wenigen Wochen die größte Buchmesse der Welt in Frankfurt ihre Tore öffnet,
wird sich ein Land besonders selbstbewusst präsentieren: Die Islamische
Republik Iran. Ausgerechnet! Iran ist
das Land mit der höchsten Quote inhaftierter Journalisten weltweit.
Teheran verbietet Zeitungen, schließt Galerien, verhaftet Kritiker und lässt
Künstler auspeitschen. Tausende Buchmanuskripte liegen im „Ministerium für
Kultur und islamische Führung“ und scheitern an der Zensur. „Wir können den
Buchmarkt nicht freigeben und damit zulassen, dass schädliche Bücher auf den
Markt kommen“, erklärt Ali Khameini, der Führer des
Regimes.[1]
Natürlich
ist hierüber auch der Veranstalter der Bücherschau, die Frankfurter Buchmesse
GmbH, informiert. So finanziert sie seit Sommer dieses Jahres das Exil des
zensierten iranischen Autors Mohammed Baharlo, der
Zuflucht in Frankfurt fand. Das „Eintreten für die Freiheit des Wortes“ gehöre
zu den Aufgaben der Messe, gab Jürgen Boos, der Direktor der Messe, bekannt.[2] Doch warum wird dann der
Auftritt auf der Buchmesse 2012 nicht dem verfolgten Autor, sondern dessen
Verfolgern gewährt?
Im Herbst
werden nicht nur systemkonforme Iran-Verlage wie der „Arische Denker-Verlag“
oder die „Verlagsgemeinschaft ,Heilige Verteidigung‘“
– ihre Produkte vorführen.[3] Zusätzlich bereitet die
iranische Botschaft in Deutschland eine „wirkungsvolle [und] zielgerichtete
Präsenz“ in Frankfurt vor.[4] Mehr noch: Diesmal - man
mag es kaum glauben! - will auch das iranische Zensurregime unter der Leitung von Mohammad Azimi -
dem ehemaligen Vizeminister des „Ministerium für Kultur und Islamische Führung“ – die Werbetrommel rühren.[5] Man habe in Verhandlungen
mit den Messeverantwortlichen erreicht, dass der Nationalstand des Regimes
einen bevorzugten Platz erhalten und seine Fläche von 80 auf 96 Quadratmeter
steigern wird, berichtete Azimi stolz und kündigte
für die Buchmesse zusätzlich eine Vortragsreihe über Irans Kulturpolitik an.[6]
Hier wird
deutlich, dass es dem Regime nicht um Bücher, sondern um einen
Prestige-Auftritt geht. Es will offenkundig beweisen, dass es die westliche
Isolationsstrategie mit deutscher Hilfe durchkreuzen kann – trotz seiner
Atompolitik, trotz seines Einsatzes für Assad, trotz seines Terrors gegen
Künstler in Iran.
Die
Buchmesse hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist,
die „Freiheit des Wortes“ zu verteidigen. 1989 rief Ajatollah Khomeini zur
Ermordung des britischen Schriftstellers Salman Rushdie auf. Damals setzte die
Buchmesse ein Zeichen: jahrelang blieb Iran für die Messe gesperrt.[7] In diesem Sommer
wurde erneut eine Todesfatwa erlassen –
gegen den in Deutschland wirkenden Dichter und Sänger Shahin Najafi.[8] Und was passiert? Diesmal ist
die Messe für die Verfechter dieses Mordaufrufes nicht verschlossen. Diesmal
öffnet man ihnen Tür und Tor.
Auch damit
setzt die Buchmesse ein Zeichen: ein Zeichen der Nachgiebigkeit gegenüber dem
Terror; ein Zeichen des Verrats an der Meinungsfreiheit; ein Zeichen gegen jene
Länder, die das Regime durch vereinten Druck von der Fortsetzung seiner
Atompolitik abbringen und einen Krieg noch verhindern wollen.
So wie man
zu Neo-Nazis keine entspannte Freundschaft pflegen kann, kann man mit einem
Regime wie dem iranischen keine entspannten Geschäftsbeziehungen unterhalten.
Wenn dies schon für jeden Kleinbetrieb gilt, dann doch wohl besonders für die
größte Buchmesse der Welt!
Eine Nachbemerkung und ein
Dokument
Teheran
räumt seinem Auftritt in Frankfurt einen hohen Stellenwert ein. Dies beweist auch
der Aufsatz, den die „University of Religions and Denominations“
(URD), einer in der Stadt Qum unter Ahmadinejad
gegründeten Kaderschmiede, über die die bevorstehende Buchmesse
veröffentlichte. Der Politikwissenschaftler Wahied Wahdat-Hagh berichtete erstmals hiervon.[9] Der URD-
Beitrag fordert, dass der offizielle staatliche Auftritt des Iran bei der
diesjährigen Buchmesse besser als im Vorjahr organisiert werden müsse. Die
Pleite von 2011, als es einen Nationalauftritt des Landes nicht gab, „habe zu
einer großen Diskussion zwischen dem iranischen Botschafter in Deutschland und
dem Berater des Präsidenten Ahmadinejad sowie dem
Kultursekretär des iranischen Ministeriums für islamische Führung und Kultur
geführt.“ Dieses Jahr, so fordert der Autor, müsse die „Würde des Iran“ auf der
Buchmesse wieder hergestellt werden. Immerhin sei die Bezahlung für die von 80
auf 96 Quadratmeter erhöhte Fläche bereits erfolgt.
Frau
Katja Böhne, die Leiterin der Abteilung „Marketing
& Kommunikation“ der Frankfurter Buchmesse, betätigte mir gegenüber, dass
es einen Nationalstand Irans auf der Buchmesse 2011 nicht gab. Dieser Umstand sei
aber keinesfalls auf Maßnahmen der Buchmesse zurückzuführen.
Meine
Fragen über die diesjährige iranische Präsenz in Frankfurt beantwortete Frau Böhne am 23. August 2012 wie folgt:
1. Trifft
es zu, dass in diesem Jahr die Islamische Republik Iran mit einem Nationalstand
vertreten sein wird?
Das trifft zu: Der Stand wird von
der TIBF/Iran Cultural Fairs Institute, das auch die
Teheran Book Fair veranstaltet, organisiert.
2. Trifft
es zu, dass sich die Gesamt-Ausstellungsfläche für Iran von 80 qm in 2011 auf
96 qm in 2012 erhöhen wird?
Über die Standgrößen unserer
Aussteller geben wir grundsätzlich keine Auskunft.
3. Trifft
es zu, dass sich in die Verhandlungen um die Vertretung seines Landes auf der
kommenden Buchmesse auch die Iranische Botschaft in Deutschland eingeschaltet
hat?
Die iranische Botschaft hat traditionell einen eigenen Stand
auf der Frankfurter Buchmesse, sie tritt nicht gemeinsam mit der TIBF auf.
4. Nach
Auskunft der „Iran Book News Agency“ (IBNA) wurde dem Iran für die kommende
Messe eine Halle zugeteilt, „in which speeches will be delivered on the publication and culture of the Islamic
Republic of Iran and today’s Iran.“ Ist diese Auskunft, was die Möglichkeit
derartiger Reden anbelangt, zutreffend?
Der Gemeinschaftsstand der Islamischen Republik Iran wird in
der Halle 5.1 platziert sein. Wir haben derzeit keine Kenntnis davon, dass der
Organisator des iranischen Gemeinschaftsstandes ein
Veranstaltung angemeldet oder organisiert hat.
5. Als
Reaktion auf die iranische Todesfatwa gegen den Autor Salman Rushdie durften
1989, 1990 und 1991 keine iranischen Verlage an der Frankfurter Buchmesse
teilnehmen. Seit dem Mai dieses Jahres wird der in Deutschland lebende
Dichter und Sänger Shanin Najafi mit dem Tode
bedroht; auch auf ihn wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, auch er muss sich seither
verstecken. Warum reagiert die Buchmesse auf den jüngsten Mordaufruf nicht
ebenso wie 1990 auf den Mordaufruf gegen Rushdie?
Die Frankfurter
Buchmesse sieht sich in der Verantwortung weltweit die Verlags- und
Literaturbranchen zu vernetzen und sie im Aufbau freier
Strukturen
zu unterstützen - und auf diese Weise die politische Weiterentwicklung zu
fördern.
Dazu gehört
unbedingt die Annäherung über einen nachhaltig angelegten Dialog, gerade in
solchen Ländern, in denen das Publizieren von Büchern
/ die Veröffentlichung von Inhalten auf politische Schwierigkeiten
stößt.
6. Vernünftigerweise
arbeitet die Buchmesse in vielfältiger Weise mit dem Auswärtigen Amt zusammen.
Handelt die Buchmesse hinsichtlich der diesjährigen Repräsentanz des Iran in
eigener Regie oder in Abstimmung mit dem AA?
Die Frankfurter Buchmesse
arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Bereichen mit dem Auswärtigen Amt
der Bundesrepublik Deutschland zusammen. Anmeldungen von Gemeinschaftsständen
oder Abstimmungen über diese fallen nicht in den Bereich der Kooperation. In
Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt ist die Frankfurter Buchmesse zum
Beispiel mit ihrem Einladungsprogramm oder auch durch das Angebot von
Fortbildungsveranstaltungen bemüht, die unabhängige Verlegerschaft
im Iran zu stärken.
7. In den
letzten Tagen und Wochen haben staatliche iranische Stellen ihre Verbalattacken
auf Juden und auf den Staat Israel noch einmal gesteigert. Der Antisemitismus
dieser Stellungnahmen wurde von Vertretern der UN, der EU und mehrerer
Regierungen scharf kritisiert. Ist dies für die Frankfurter Buchmesse ein
Grund, zumindest den Nationalstand des Iran von einer diesjährigen Teilnahme
auszuschließen?
Die Frankfurter Buchmesse nimmt
mit Bedauern die Verschärfung der politischen Tonlage der Konfliktparteien im
Nahen Osten zur Kenntnis. Ausgrenzung und Verfolgung sind für uns keine Mittel
in der Austragung politischer Differenzen. Ein
Grundmaxime der Frankfurter Buchmesse besteht in der Herstellung und
Aufrechterhaltung des Dialogs.
Die Frankfurter Buchmesse
versteht sich als Handelsplattform, an der als Aussteller jeder teilnehmen
kann, der die Geschäftsbedingungen erfüllt. Dies schließt auch die
eigenständige Organisation von Werbe- und Informationsveranstaltungen
ein, die allen Ausstellern offen stehen und von ihnen genutzt werden können,
solange sie damit nicht gegen geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland
verstoßen.
[1] Heinrich Böll Stiftung, iran-report Nr. 11/2011, S. 7.
[2] Claudia Schülke, Mohammad Baharlo – Schreibender Einsiedler, in: Rhein-Main-Beilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 25. Juli 2012.
[3] Die genannten Verlage werden im Messekatalog 2012 als „Andishevarzan Arya Research & Publishing Co.“ sowie als „Defa Moghaddas Publishers Association“ geführt. Ich danke meinem Kollegen Wahied Wahdat-Hagh für die Übersetzung und weitere Hinweise.
[4] Kulturüberblick über Aktivitäten der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten der Botschaft im Jahre 2011/2012 auf: http://www.iranembassy.de/de/kultur/kulturelle-nachrichten/354-kulturnachrichten-aus-iranischen-medien [Am 26.8.12 eingesehen.]
[5] „Formerly, Azimi
was the legal, parliament deputy of the Ministry of Culture and Islamic
Guidance“, schreibt die Iran Book News Agency auf: http://www.ibna.ir/vdcbfab85rhbf9p.4eur.html
[Am 26.8.12 eingesehen.]
[6] „Frankfurt Book Fair an ideal venue for cultural interactions“, auf: http://www.ibna.ir/vdcc01qs42bq018.-ya2.html [Am 26.8.12 eingesehen.]
[7] Thierry Chervel (Hg.), „Redefreiheit ist das Leben“ – Briefe an Salman Rushdie, München 1992, S. 30 und 128.
[8] “Wir fordern Öffentlichkeit und Politiker dazu auf, unseren Kollegen in jeder Form zu unterstützen und sich für seine Sicherheit einsetzen”, heißt es in der von zahllosen prominenten Künstlern unterzeichneten Erklärung “Solidarität mit Shahin Najafi” der Akademie der Künste auf: http://www.adk.de/de/projekte/2012/Appell_15.06.12/ [Am 26.8. 12 eingesehen.]
[9] Wahied Wahdat-Hagh, Dialog mit Antisemiten: iranische Islamisten in der Frankfurter Buchmesse, auf: http://jungle-world.com//von-tunis-nach-teheran/1818 .