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Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Das Zentrum für Antisemitismusforschung frisiert seine eigene Homepage
Hamburg, den 1. Mai 2010
Das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) ist stets für eine Überraschung gut. Am 24. April 2010 warf ich den ZfA-Verantwortlichen vor, eine Mitarbeiterin aus dem eigenen Haus, Frau Angelika Königseder, unter einem falschen Etikett – als „externe“ Kandidatin – für die Nachfolge von Prof. Wolfgang Benz ins Feld zu schicken und monierte, dass der „externe“ Arbeitgeber dieser Kandidatin – ein „Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung“ im Internet nicht aufzufinden sei.
Drei Tage später – am 27. April 2010 – korrigierte das ZfA klammheimlich seine Homepage.
Vor diesem Datum hatte das ZfA seine Kandidatin mit folgenden Worten präsentiert:
seit 1996 wiss. Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung.
Am 27. April wurde Frau Königseder mit einer neuen beruflichen Vita versehen:
1996-2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin des ZfA (...) seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ,Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung’ e.V.
Wie beliebig darf der Umgang mit biographischen Daten eigentlich sein? Ist es tatsächlich egal, ob jemand von 1996 bis 2010 oder nur zwischen 1996 bis 2002 Mitarbeiterin des Zentrums gewesen ist?
Offenkundig! Mittlerweile räumt Prof. Benz ein, den Verein mit der Bezeichnung „Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung“ höchstpersönlich gegründet zu haben, um „Mitarbeiter aufzufangen“. Aus juristischen Gründen habe auch Frau Königseder dort zu arbeiten begonnen – „weil sie aufgrund des Verbots von Kettenverträgen nicht mehr wissenschaftliche Mitarbeiterin der TU sein konnte“. (Amory Burchard, Streit um Nachfolge, in: Tagesspiegel, 28. April 2010) Während das Revirement intern stattfand, blieb äußerlich alles beim Alten: Der Arbeitsplatz, die Anschrift, der Chef, die Kolleginnen und Kollegen. Selbst das Etikett änderte sich nicht: In allen Publikationen des Zentrums präsentierte sich Frau Königseder weiterhin als wissenschaftliche Mitarbeiterin des ZfA.
„Ja und?“, könnte man mit Fug und Recht fragen. Was ist daran schlimm? Eigentlich nichts. Hätte sich Frau Königseder als hauseigene Kandidatin um die Nachfolge von Wolfgang Benz beworben, wäre alles im Lot. Wolfgang Benz will seine Mitarbeiterin hingegen als externe Bewerberin für seine Nachfolge präsentieren, als Kandidatin also, für die die strengen Voraussetzungen einer Hausberufung nicht gelten.
„Juristisch gesehen bin ich keine Angestellte des ZfA“, beteuert Frau Königseder gegenüber Spiegel-Online. (Markus Deggerich, ,Hausbewerbung’ bei der Benz-Nachfolge?, Spiegel-Online, 23. April 2010) Und real? Die Kandidatin „werde nicht von der TU…, sondern aus Drittmitteln“ bezahlt, sekundiert Wolfgang Benz im Tagesspiegel: „Insofern würde es sich formal nicht um eine Hausberufung handeln.“ Und faktisch?
Immerhin tauchte am 27. April 2010 auf der Homepage des Zentrums erstmals auch der bis dahin verborgen gehaltene Verein „Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung“ e.V. auf. Eine neu eingerichtete Seite verweist auf dessen Funktion:
Das Institut wirbt Mittel ein und fördert damit Forschungs- und Publikationsprojekte, zuletzt die Reihe ,Der Ort des Terror’ (9 Bände, Verlag C.H. Beck).
Dieser Eintrag macht das rätselhafte „Institut“ allerdings nur noch rätselhafter. Warum taucht ein „Institut“, das Gelder „einwirbt“ und damit „Forschungs- und Publikationsprojekte fördert“ zwischen 2002 und 2010 in der Öffentlichkeit nie auf? Warum wird es auch in den neun Bänden der Reihe „Der Ort des Terror“ nicht einmal erwähnt?
Während die Neueinträge auf dieser Homepage neue Fragen aufwerfen, besteht kein Zweifel, dass das ZfA trotz laufender Debatte darauf verzichtet hat, die Öffentlichkeit über die Veränderungen auf seiner Homepage zu informieren. Dadurch entsteht der Eindruck, als habe es die Informationen, deren Fehlen mein Dossier beklagte, immer schon geben.
Am 27. April 2010 war mein E-Mailbriefkasten jedenfalls voll. Viele Briefeschreiber wiesen mich auf vermeintliche Irrtümer hin. Auf seiner Homepage habe das ZfA, anders als bei mir dargestellt, jenes Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung und Frau Königseders Mitarbeit seit 2003 erwähnt. In Windeseile verbreitete sich ein unerhörtes Gerücht: Matthias Küntzel habe „ungenau recherchiert“.
Im Nachhinein ist dieser Vorwurf gut zu verstehen. Die Vorstellung, dass eines der renommiertesten geisteswissenschaftlichen Zentren der Bundesrepublik gezielt die in der Öffentlichkeit umstrittenen Passagen seiner Homepage verändert, ohne die Veränderungen als solche kenntlich zu machen – erschien als zu ungeheuerlich, um wahr zu sein. Also musste der Fehler bei mir liegen – das lag nah.
Am späten Abend des 27. April lieferte ein Computerexperte mithilfe von Google-Cache den Nachweis, dass die Homepage des ZfA zum Zeitpunkt der Veröffentlichung meines Artikels eine andere war. Er konnte beweisen, dass man die neue ZfA-Wirklichkeit erst am selben Tag kreiert hatte.
Mich erinnert dieses Vorgehen der ZfA-Verantwortlichen an Schüler, die ihre bereits korrigierte und zurückgegebene Klassenarbeit nachträglich mit dem Füllfederhalter manipulieren, um sich im Nachhinein bessere Noten zu beschaffen. In der Schule lasse ich solche Tricks nicht durchgehen. Wenn es gut läuft, schämt sich der Schüler und begreift, dass man für die Konsequenzen seines Handelns gerade stehen muss.
Und im ZfA?
Nichts gegen Hausberufungen, die inhaltlich legitimiert sind! Man hätte die Bewerbung von Frau Königseder von Anfang an als solche verfolgen können. Man zog es aber vor, die Kandidatin als Mitarbeiterin eines „externen“ Instituts zu präsentieren, das niemand kennt.
Man hätte, nachdem ich auf die dubiosen Momente dieses Verfahrens hingewiesen hatte, alle weiteren Entscheidungen der Berufungskommission und dem Senat der Technischen Universität überlassen können. Stattdessen suchte das Zentrum mit nachträglichen Homepage-Korrekturen seinen Anspruch, es handele sich um eine „externe“ Kandidatur, zu untermauern.
Man hätte den Eingriff in die Homepage wenigstens erkennbar machen können. Stattdessen wurde so getan, als habe es jene Änderungen nicht gegeben.
Die kleinere Peinlichkeit brachte jeweils die größere hervor, während vom Nimbus der Wissenschaftlichkeit wenig blieb. Es ist gruselig; gruselig und schade. Das Zentrum für Antisemitismusforschung hat Besseres verdient.
Hinweis: Die PDF-Version dieses Artikels beginnt mit einer fünfseitigen Dokumentation der hier erwähnten Änderungen an den Internetseiten des ZfA. Ich fügte sie der PDF-Version meines Artikels am 4. Mai 2010 hinzu.