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Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
40 Jahre Anbiederung deutscher Bundespräsidenten an die Machthaber in Teheran
mena-watch.com, 1. März 2019
Am 26. Februar 2019 veröffentlichte das Bundespräsidialamt, nachdem es aufgrund von Enthüllungen der BILD-Zeitung unter Druck geraten war, sämtliche Telegramme, die deutsche Bundespräsidenten zwischen 1980 und 2019 an iranische Präsidenten geschickt hatten, um ihnen zum Jahrestag der iranischen Revolution zu gratulieren. Die Lektüre der gesammelten Gratulationen ist schwer zu ertragen.
Am 11. Februar 1980 sprach zum Beispiel Bundespräsident Karl Carstens dem iranischen Präsidenten „im Namen des deutschen Volkes“ herzliche Glückwünsche aus und beschwor „die gute Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern“. Dieser 11. Februar war aber gleichzeitig der 100. Tag der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran und der 100. Tag der brutalen Geiselhaft, die 66 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Botschaft zu erdulden hatten.
Am 11. Februar 1989 hatte auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker seine Glückwünsche „zum Jahrestag der islamischen Revolution“ übermittelt. Am 14. Februar, drei Tage später, rief Revolutionsführer Ruhollah Khomeini „alle glaubenseifrigen Muslime in der ganzen Welt“ dazu auf, Salman Rushdie und diejenigen, die an der Veröffentlichung des Buches „Die Satanischen Verse“ beteiligt waren, „unverzüglich zu exekutieren.“ Das hielt von Weizäcker nicht davon ab, dem Regime auch 1990 zur „islamischen Revolution“ zu gratulieren – wobei von Weizsäckers Adressat diesmal der Holocaust-Verharmloser Ali Akbar Hashemi Rafsandjani war.
Am 11. Februar 1993, einige Wochen nachdem das iranische Regime im Berliner Restaurant Mykonos vier prominente Iraner hatte ermorden lassen, war es erneut Richard von Weizsäcker, der seiner „Hoffnung auf Vertiefung und Ausbau der guten Zusammenarbeit zwischen unseren beiden befreundeten Völkern Ausdruck“ gab.
Die Tatsache, dass 1993 auch die Bundesstaatsanwaltschaft Anklage gegen „Agenten des iranischen Nachrichtendienstes“ erhob, da diese für die Morde verantwortlich seien, kümmerte den Bundespräsidenten nicht. Am 11. Februar 1994 zeigte er sich, ganz im Gegenteil, „zuversichtlich, dass sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern vertiefen werden.“
Nachdem im November 1996 im Mykonos-Prozess nachgewiesen worden war, dass es der Revolutionsführer persönlich war, der den Mordbefehl erteilt hatte, schickte 1997 Bundespräsident Roman Herzog gleichwohl sein Glückwunschtelegramm „mit Hoffnung auf Vertiefung und Ausbau der Beziehungen zwischen unseren Staaten und Völkern“ an Irans Präsident Rafsandjani. Dieser revanchierte sich in aller Freundlichkeit: „Unsere Beziehungen waren stets gut. Beide [Völker] sind arischer Rasse.“
Nachdem im April 1997 das Urteil gesprochen war, das die Führung des Regimes (Ali Khameini, Ali Akbar Hashemi Rafsandjani, Ali Fallahian und Ali Akbar Velayati) für die Morde in Berlin unmittelbar verantwortlich machte, ließ sich Bundespräsident Herzog gleichwohl nicht lumpen und übermittelte am 11. Februar 1998 seine Glückwünsche zum Jahrestag der Islamischen Republik Iran – natürlich wie immer „auch im Namen des deutschen Volkes“.
Als 2002 die Atomanlagen in Arak und Natans entdeckt wurden, die das Regime heimlich, also unter Verletzung des Atomwaffensperrvertrags, errichtete, war anschließend Bundespräsident Johannes Rau zur Stelle, der am 11. Februar 2003 neben „herzlichen Glückwünschen“ seiner Hoffnung Ausdruck gab, „dass sich die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern in positiver Weise weiterentwickeln und festigen werden.“
In den Jahren 2007 bis 2013, als Mahmoud Ahmadinejad Präsident war, wurden keine Glückwunschtelegramme versandt. 2014 setzte jedoch Bundespräsident Joachim Gauck das Ritual fort. „Deutschland und Iran verbinden vielfältige Beziehungen, die weit in die Geschichte zurückreichen“, hob Gauck am 11. Februar 2014 hervor.
Doch wie stolz kann man auf diese Geschichte sein? Natürlich handelte es sich, ob unter einem Schah oder einem Religionsführer, stets um Beziehungen zu einem undemokratischen System, wobei die Nazi-Jahre 1933 – 1941 als „Achse der Arier“ den Höhepunkt dieser Zusammenarbeit markierten. Obwohl jene historischen Beziehungen also nicht unbedingt vorzeigbar sind, tauchten sie bei jedem der nachfolgenden Glückwunschtelegramme als Aktivposten wieder auf.
So betont auch Frank-Walter Steinmeier in seinem Telegramm vom 11. Februar 2019: „Die bilateralen Beziehungen unserer Länder sind traditionell eng und bauen auf einer breiten Grundlage auf.“ Wie „breit“ und scheinbar unzerstörbar diese Grundlage ist – das haben die letzten 40 Jahre gezeigt.
Als BILD-Redakteurin Antje Schippmann die Glückwunsch-Telegramme der letzten Jahrzehnte sehen wollte, lehnte dies das Bundespräsidialamt zunächst ab. Nach Protesten u.a. von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, sah sich der Bundespräsident jedoch genötigt, hierauf zu reagieren und schließlich auch die früheren Glückwunsch-Telegramme freizugeben.
Vermutlich sollte deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit beruhigen: Seht her – es handelt sich tatsächlich um eine „diplomatische Gepflogenheit“! Doch was als Beschwichtigung gedacht war, geht vielleicht nach hinten los. Denn die Liste der Telegramme beweist: Mit diesem Regime ist die deutsche Politik – trotz Mordaufruf, Terror und Betrug – immer schon durch dick und dünn gegangen. Warum also nicht auch heute, wo das iranische Volk leidet, wie noch nie und die vom Iran angezettelten Kriege die gesamte Region terrorisieren?
Das ganze Elend der deutschen – international zunehmend isolierten – Iranpolitik tritt zutage, wenn Steinmeier schreibt: „Gerade mit Blick auf die zahlreichen Konflikte in der Region und die globalen Herausforderungen wollen wir den Dialog zwischen Iran und Deutschland sowie den europäischen Partnern weiter intensiv pflegen.“
Die Inhalte der Telegramme belegen ein weiteres Mal, wie Deutschland diesen „Dialog“ seit 40 Jahren führt: nicht als einen kritischen, sondern als einen kriecherischen Dialog, bei dem man weglässt, was den Dialogpartner stört. Und was haben vierzig Jahre „Dialog“ bewirkt? Hat er eine einzige Hinrichtung eines Schwulen, weil der schwul ist, verhindern können? Oder einen einzigen Test atomwaffenfähiger Raketen? Oder einen einzigen Terroreinsatz der Revolutionären Garden?
Die Bilanz dieses Dialogs „zwischen Iran und Deutschland“ ist desaströs. Die als Dialog getarnte Parteinahme besiegelt heute mehr denn je den Verrat an all jenen Iranerinnen und Iranern, die dieses Regime ablehnen, hassen und bekämpfen und die ihm eben das zurufen, was in Deutschland viele in Reaktion auf Steinmeiers Telegramm erklärten: „Nicht in meinem Namen!“
Hier der vollständige Wortlaut des Telegramms von Bundespräsident Steinmeier an den iranischen Staatspräsidenten Rohani zum Nationalfeiertag 2019:
Herr Präsident,
zum Nationalfeiertag der Islamischen Republik Iran übermittle ich Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine herzlichen Glückwünsche. Die bilateralen Beziehungen unserer Länder sind traditionell eng und bauen auf einer breiten Grundlage auf. Gerade mit Blick auf die zahlreichen Konflikte in der Region und die globalen Herausforderungen wollen wir den Dialog zwischen Iran und Deutschland sowie den europäischen Partnern weiter intensiv pflegen. Nur mit gemeinsamen, konstruktiven Anstrengungen aller Beteiligten werden wir die Krisen und Konflikte überwinden können. Deutschland wird darüber hinaus weiterhin tun, was in seiner Macht steht, um die Bewahrung und die fortgesetzte Umsetzung des JCPoA sicherzustellen. Anlässlich dieses für die Islamische Republik Iran so wichtigen Feiertages möchten ich Sie dazu ermutigen, auch die kritischen Stimmen in Ihrem Land anzuhören und mit ihnen einen offenen Dialog zu ihren Anliegen und Sorgen zu führen. Ihnen und Ihren Landsleuten wünsche ich Wohlergehen und viel Erfolg bei der Gestaltung einer friedlichen und glücklichen Zukunft Ihres Landes.
Am 1. März 2019 auf mena-watch.com veröffentlicht.
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