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Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Auf den "Durchbruch" von Lausanne folgt der Katzenjammer
Hamburg, 10. April 2015
Die Einigung von Lausanne löste Begeisterung aus. Der Iran habe sich mit den “Eckpunkten” für ein künftiges Atomabkommen “verpflichtet”, so die Bundesregierung, zwei Drittel seiner Anreicherungskapazitäten für zehn Jahre stillzulegen, über 95 Prozent des angereicherten Urans zu verdünnen oder auszuführen und “alle nuklearen Aktivitäten” einem Überwachungs- und Transparenzregime zu unterwerfen, das „beispiellos in Intensität und Laufzeit“ sei.[1]
Schön wär’s. In Wirklichkeit ist keiner dieser Eckpunktein in der “gemeinsamen Stellungnahme”, auf die sich der Iran und die 5+1-Mächte einigten, zu finden. Es handelt sich um ein dürres Kommuniqué, das keiner der beteiligten Akteure unterzeichnet hat, das keine Zahlen- oder Prozentwerte nennt und das beim Thema Atom weniger von Übereinstimmung als vielmehr vom Ausmaß der Uneinigkeit zeugt.[2]
Daneben gibt es interpretative Erklärungen von Frankreich, den USA und dem Iran, die aber deutlich divergieren.[3] Während die Stellungnahme aus Iran mit 512 Worte die Sicht Teherans darstellt, ist das sogenannte fact sheet des State Department, das die vermeintlichen Verhandlungserfolge der USA hervorhebt, mit 1318 Worten bedeutend länger. Es listet akribisch alle “Schlüsselparameter” auf, auf die man sich in Lausanne angeblich geeinigt hat – eine Übung, bei der es nicht zuletzt darum geht, den irankritischen Kongress der USA zu besänftigen.
Zwar hat Teheran so gut wie keines der im fact sheet genannten Details bestätigt, sondern hat sich, ganz im Gegenteil, von der amerikanischen Auslegung der Gespräche unverzüglich distanziert.
Gleichwohl wurde das amerikanische fact sheet in den allermeisten Medien, aber auch seitens der Bundesregierung, als eine gültige Abmachung mit dem Iran präsentiert und von Barak Obama gar als als “historic unterstanding with Iran” gefeiert.
Man schwelgte, statt sich um die Tatsachen zu kümmern, in dem Gefühl, einen “großen und entscheidenden Schritt nach vorne” gekommen zu sein. “Heute kann ich sagen: Wir sind durch! Das ist gut!” begeisterte sich selbst der sonst so zugeknöpfte Frank-Walter Steinmeier am Tag der “Einigung von Lausanne”.[4]
In Wirklichkeit handelt es sich bei der gefeierten “Einigung” um eine Fata Morgana – um eine Täuschung, die sich als solche auch zunehmend entpuppt: In den USA schwillt der Katzenjammer, der der anfänglichen Euphorie folgte, täglich weiter an.
So reißen die Meldungen über immer neue Streitpunkte nicht ab: Vorgestern erklärte der iranische Außenminister, nach Abschluss des Abkommens die allermodernsten Uranzentrifugen in Gang setzen zu wollen, ein Vorhaben, das dem amerikanischen fact sheet zufolge ausgeschlossen ist. Gestern betonte Irans Präsident Rouhani, das Abkommen nur dann zu unterzeichnen, wenn sämtliche Sanktionen noch am selben Tag entfallen – ein Anliegen, das dem Papier aus den USA frontal widerspricht.[5] Und heute betrachtet Ali Khamenei, der Revolutionsführer, die Veröffentlichung des fact sheets gar als Beweis für die “teuflischen” Absichten der USA.[6]
Doch schauen wir uns einige der key parameter, auf die sich der Iran und die fünf Vetomächte des Sicherheitsrats und Deutschland angeblich verständigt haben, genauer an. Ich gehe bei der nachfolgenden Darstellung von dem günstigsten Fall aus, nehme also an, dass Teheran, handzahm wie ein Goldhamster, die vom State Department aufgestellten Parameter Punkt für Punkt unterschreibt.
Teheran verweigert selbst die üblichen Kontrollen
Es trifft zu, dass ein Abkommen, wie vom State Department skizziert, dem iranischen Atomprogramm vorübergehend Grenzen setzen würde, die eine rasche Atombewaffnung verhindern. Es trifft aber ebenfalls zu, dass sich die Mullahs bislang als wahre Weltmeister im Tricksen und Täuschen erwiesen haben. “Wir konnten und können deshalb nur eine Vereinbarung akzeptieren”, erklärte richtig der deutsche Außenminister, “die kein Vertrauen gegenüber Iran voraussetzt”, sondern ganz im Gegenteil sicherstellt, “dass es umfassendere und intensivere Kontrollen gibt als jemals zuvor. … Dazu gehören unangekündigte Inspektionen aller Anlagen.”[7]
Dass Steinmeier aber so tut, als würde es diese beispiellos strengen Kontrollen nunmehr geben, ist absurd. Denn in Wahrheit hat sich Teheran erneut und mit Erfolg dagegen gesträubt. Dies beweist ein Vergleich zwischen dem Genfer Abkommen vom November 2013 und dem jetzt vom State Department präsentierten Papier.
Während das Dokument von 2013 die iranische “Ratifizierung des Zusatzprotokolls” zum Atomwaffensperrvertrag zur Voraussetzung eines Abkommens erhob, ist davon in den aktuellen Erklärungen keine Rede mehr.
Dies aber ist ein entscheidender Punkt, regelt doch das Zusatzprotokoll die Bedingungen, unter denen die Inspektoren der IAEA ihre Kontrolltätigkeit durchführen. Es erlaubt Überraschungsinspektionen mit einer Vorabankündigung von zwei bis 24 Stunden, die Entnahme von Bodenproben an Orten, die der betreffende Staat nicht angegeben hat und die Überprüfung von Anlagen, die der Atomforschung dienen.
Dieses Zusatzprotokoll ist keine Auflage, die bestimmte Staaten besonders bestraft, sondern ein Routineverfahren, das für die meisten Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages seit langem gilt. 145 Staaten haben dieses Protokoll bislang unterzeichnet, in 124 Staaten ist es derzeit in Kraft.[8]
Iran gehört zu den wenigen Staaten der Welt, die offenbar wichtige Gründe haben, die erweiterten Kontrollrechte zu scheuen. Schon im September 2003 rief die UN-Behörde IAEA Teheran dazu auf, diesem Zusatzabkommen beizutreten. Einen Monat später erklärte sich das Regime in der sogenannten “Teheraner Erklärung” bereit, dem “Protokoll” beizutreten. Dies aber entpuppte sich als ein Trick, um europäische Zugeständnisse zu erlangen: Das “Protokoll” wurde zwar unterschrieben. Es trat aber niemals in Kraft, da das iranische Pseudoparlament die Ratifizierung verweigerte. Der damalige iranische Verhandlungsführer, der diesen trickreichen Zickzack- Kurs einfädelte, hieß Hassan Rohani und ist heute iranischer Präsident [9]
Zehn Jahre später stand die Forderung nach “Ratizifierung” des Zusatzprotokolls erneut auf der Wunschliste der 5+1 und wurde als Bestandteil eines abschließenden Atomabkommens aufgeführt.[10]
Noch Anfang März 2015 machte Barak Obama den Abschluss des Atomdeals davon abhängig, dass die Iraner “die Art von Überwachung akzeptieren, … der sie jedenfalls noch nicht zugestimmt haben.”[11] Man werde andernfalls den Verhandlungstisch verlassen. Doch das Regime blieb hart.
Ende März 2015 wies es die Forderung des IAEA-Direktors Yukiya Amano, unangekündigte Inspektionen zuzulassen, brüsk zurück. Mit dieser Forderung, erklärte ein Sprecher Teherans, würde Amano den Erfolg der Atomgespräche gefährden.[12]
Und wie reagierten die Großmächte der 5+1, die sich heute damit brüsten, dem Iran das wirksamste Inspektionsregime aller Zeiten abgetrotzt zu haben? Sie zogen ihre Forderung nach Ratifizierung des Zusatzprotokolls stillschweigend zurück.[13]
Bis heute wird die Entscheidung, selbst in diesem elementaren Punkt eine rote Linie zu räumen und dem iranischen Regime entgegenzukommen, vertuscht. So schreibt das State Department in seinem fact sheet: “Iran hat zugestimmt, das Zusatzprotokoll der IAEA anzuwenden”, ohne auf den Unterschied zwischen “anwenden” und “ratifizieren” einzugehen. Dabei kommt es auf diesen Unterschied gerade an.
Nur die Ratifizierung macht ein Abkommen verbindlich und bindet ein Land auf Zeit, während die „Anwendung“ jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. “Iran wird das Zusatzprotokoll auf freiwilliger und zeitweiliger Basis anwenden”, lesen wir folgerichtig in der “Eckpunkte”-Erklärung des Iran.[14] “Zeitweilig” bedeutet: Das Regime entscheidet selbst, wann es die Weltöffentlichkeit betrügt. Irgendwann in der Zukunft, verspricht das iranische Papier ohne einen Zeitraum zu nennen, werde man das Protokoll schon ratifizieren.
Das Ausmaß des damit verbundenen Desasters offenbarte unfreiwillig US-Präsident Obama in einem Interview. Auf die Frage des renommierten New York Times-Journalisten Tom Friedman, ob die IAEA-Inspektoren überall im Iran kontrollieren dürften, erwiderte er:
“An den Plätzen, die wir verdächtigen. Natürlich muss eine Anfrage erfolgen. Iran könnte widersprechen. Wir haben aber versucht, einen Mechanismus zu entwerfen, bei dem im Falle eines Widerspruchs dieser nicht als das letztgültiges Veto des Iran gilt. Stattdessen wird ein bestimmter internationaler Mechanismus in Gang gesetzt, durch den eine faire Abwägung erfolgt, ob eine Inspektion erfolgen soll. Wenn dessen Teilnehmer beschließen, dass dies der Fall sein soll, dann hat dieser Beschluss Gültigkeit und nicht die Aussage Irans.”[15]
Natürlich kann Teheran noch während jener Schlichtung seine Verstöße vertuschen. Abgesehen von Obma dürfte es weder im Weißen Haus noch im Bundeskanzleramt einen Menschen geben, der glaubt, dass sich auf diese Weise Verstöße und Täuschungen verhindern lassen werden.
Doch darf man sich auch auf IAEA-Kontrollen, wenn ein Land die Bombe will, nicht verlassen. Nordkorea, zum Beispiel, ließ Inspekteure vorübergehend ins Land, um die Weltöffentlichkeit über seine Absichten zu täuschen. Kurz vor Zündung der ersten nordkoreanischen Bombe wurden sie aus den Anlagen und dem Land entfernt. Dies aber gilt überall: Sobald eine Regierung sagt: “Geht!”, müssen die Kontrolleure ihre Sachen packen. Gleichwohl ist die Ratifizierung des „Protokolls“ eine vertrauensbildende Maßnahme, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wenn sich aber die fünf Vetomächte des Sicherheitsrats plus Deutschland nicht einmal in der Lage sehen, die weltweit übliche Standardkontrolle verpflichtend durchzusetzen, dann haben auch alle sonstigen Abmachungen mit Iran keinen Wert.
Bei diesem Regime kann letztlich nur der nachprüfbare Abriss der nuklearen Infrastruktur Sicherheit schaffen. Doch genau das Gegenteil ist geplant. Dies zeigen die Eckpunkte der Vereinbarung für die Zeit nach Ablauf der Zehnjahresfrist.
Auch in dieser Hinsicht verriet sich Barak Obama versehentlich selbst, als er in einem Interview erklärte: “In 13, 14, 15 Jahren besitzen sie [die Iraner] weiterentwickelte Zentrifugen, die das Uran sehr schnell anreichern. Unter diesen Umständen würde die ,breakout time’ auf nahezu Null schrumpfen.”[16]
Mit “breakout time” ist die Zeit gemeint, die das Land benötigt, um eine Bombe zu bauen. Sie soll während der ersten zehn Jahre des Atomdeals ein ganzes Jahr betragen. Und anschließend “nahezu Null”?
Weichenstellung für die Bombe
Bei einem langfristigen Abkommen kommt es auf das Endziel, auf die Richtung der Entwicklung, an. Wir kennen das vom Atomausstieg. Hier gab die Bundesregierung die Richtung vor: Innerhalb von 11 Jahren – von 2011 bis 2022 – sollen alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden.
Die Eckpunkte von Lausanne geben ebenfalls eine Richtung vor: Sie bahnen der späteren iranischen Atommacht den Weg.
Selbst dann, wenn wir die Festlegungen in einer für den Westen optimalen Weise interpretieren, gewähren sie dem Mullah-Regime nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren die Erlaubnis, niedrig angereichertes Uran mit hochentwickelten Zentrifugen in beliebiger Menge zu produzieren und die für den Bau einer Bombe erforderliche Zeitspanne auf weit weniger als ein Jahr zu kürzen.
Nach nur 15 Jahren dürfen die Mullahs weitere Plutoniumreaktoren bauen und das hierfür benötigte Schwere Wasser in beliebiger Tonnage produzieren. Sie dürfen neue Urananreicherungsanlagen bauen, den Fordow-Bunker hierfür benutzen und das Uran beliebig hoch anreichern.
Am Erstaunlichsten ist die Tatsache, dass der Iran dann sämtliche Bombenrohstoffe mit dem ausdrücklichen Segen der Weltgemeinschaft produzieren darf. Denn die vom State Department veröffentlichten Eckpunkte schreiben nicht nur vor, was verboten ist, sondern regeln im Detail, ab wann welches Verbot wegfallen soll.
Das ist so, als würde man einem notorischen Pyromanen als Belohnung für seine vorübergehende Zurückhaltung eine Wagenladung mit Benzinkanistern und Streichhölzern versprechen.
Mit Blick auf dieses Endziel wird dem fact sheet zufolge keine einzige iranische Zentrifuge zerstört. Die Mullahs motten sie lediglich ein, damit sie spätestens im Jahr 2025 wieder laufen können.
Mit Blick auf dieses Endziel bleiben alle atomwaffenrelevanten Zentren, die man für ein ziviles Atomprogramm nicht braucht, in Betrieb: Natanz und Isfahan, Arak und Fordow.
Mit Blick auf dieses Endziel wird die nukleare Forschung und Entwicklung in den ersten zehn Jahren fortgesetzt und gesteigert. Teheran wird nicht nur gestattet, immer leistungstärkere Zentrifugen zu entwickeln. Sondern Fordow, die heimlich und illegal unter einem Bergmassiv gebaute Festung, soll in Zusammenarbeit mit einigen der 5 plus 1-Länder zu einem hochentwickelten Nuklearphysik-Zentrum umgewandelt werden. Wird Siemens auch hier wieder mit dabei sein?
Doch auch der Schwerwasserreaktor in Arak soll modernisiert, seine Effizienz erhöht und sein Plutoniumausstoß reduziert werden. Diese Modernisierung soll – so die iranische Eckpunkte-Interpretation – als internationales Projekt unter iranischer Leitung erfolgen, wobei in diesem Fall von einem Kooperationspartner aus der Gruppe der P5+1 keine Rede ist. Vielleicht hat man eher an Nord-Korea, das sich mit Plutoniumtechnik auskennt, gedacht.
„Eine internationale nukleare Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik Iran, einschließlich mit Mitgliedern der P5+1“, heißt es weiter in dem iranischen Papier, „wird auf den Gebieten des Baus von Atomkraftwerken, von Forschungsreaktoren, der Kernfusion, der dauerhaften Isotope … usw. ermöglicht und verbessert werden.“
Man staunt, das sich die 5+1-Mächte mit dieser Planung im Grundsatz einverstanden erklären. So helfen die Arbeiten an der Kernfusion bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe. Diese Zustimmung kommt besonders in dem folgenden Absatz des fact sheet des State Department zum Ausdruck:
„Es wird ein spezieller Beschaffungskanal für das iranische Atomprogramm geschaffen, um die Lieferung, den Verkauf oder den Transfer von bestimmten nuklearbezogenen und dual-use – geeigneten Materialien und Technologien von Fall zu Fall zu überwachen und zu bestätigen.“[17]
Das State Department bezeichnet die Etablierung dieses Beschaffungskanals als eine „zusätzliche Transparenz-Maßnahme“. In Wirklichkeit wird hier die notorisch bekannte Beschaffungskriminalität des Regimes, speziell was dual-use-Güter anbelangt, nachträglich legalisiert.
Während es den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates bisher darum ging, das Atomprogramm des totalitären Regimes zu bremsen oder zu stoppen, soll jetzt der Schalter offenkundig umgelegt werden: Je mehr militärisch-verwendbare dual-use-Güter über jenen Beschaffungskanal nach Iran gelangen, desto höher die „Transparenz“!
Wir sehen: Auch dann, wenn das iranische Regime alle Vorgaben der amerikanischen Seite schluckt, kann von einer Vereinbarung, „die einen iranischen Weg zu Atomwaffen ausschließt“ – so der deutsche Außenminister – keine Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall: Der „Durchbruch“ von Lausanne, der das iranische Atomwaffenprojekt zu stoppen vorgibt, bereitet ihm den Weg.
Islamisten haben Zeit
Die Eckpunkte von Lausanne machen deutlich, was den Islamismus vom Westen unterscheidet und ihn so schwer besiegbar macht. Da ist erstens ein anderes Verständnis von Zeit.
Für Islamisten sind Kurzzeiterfolge unwichtig. Sie verfolgen eine langfristige Strategie. Wenn ihre Mühlen auch langsam mahlen, bleibt doch das Ziel über Generationen hinweg im Visier. So ging der Führer der Hamas zu Beginn dieses Jahrtausends von der Auslöschung Israels im Jahre 2027 – 40 Jahre nach Hamas-Gründung – aus.
Demgegenüber ist die westliche Politik auf das Ende der laufenden Wahlperiode fokussiert. Man hofft natürlich, dass die Machthaber in Teheran all die jetzt an den Tag gelegten Freundlichkeiten mit entsprechenden Nettigkeiten gegenüber dem Westen belohnen. Sollte das nicht eintreten, hat man eben Pech gehabt.
„Ich habe immer klargemacht“, erklärte Obama in seinem Interview mit der New York Times, „dass Iran keine Atomwaffe erhält, solange ich im Amt bin.“[18] Ein erstaunliche Äußerung, bei der „nicht nur eine Alarmglocke klingelt“, wie Ari Shavit in Haaretz schreibt: „Da klingeln tausend.“[19] Obama wird sein Amt in 21 Monaten, am 20. Januar 2017 verlassen.
Da ist zweitens die Sorgfalt, mit der die islamistischen Revolutionäre die Stärken und Schwächen ihrer Gegner analysieren, um ihre Widersacher zu spalten, zu irritieren, zu täuschen; um auf dem Schachbrett der globalen Auseinandersetzung den für sie jeweils ergiebigsten Zug vorzubereiten.
Der Westen aber überlässt das Schachspiel Teheran und versucht es stattdessen mit Würfeln. So werden all die taktischen und strategischen Äußerungen des iranischen Revolutionsführers, die die jüngsten Atomgespräche begleiten, ignoriert oder heruntergespielt. Das Regime macht aus seinen lang-und kurzfristigen Zielen zwar keinen Hehl, doch der Westen will davon nichts hören.
Stattdessen dominieren Wunschdenken, Selbsttäuschung und Ignoranz. Die letzten Tagen lieferten den Beweis: Es waren reine Blütenträume – die Hoffnung auf ein Wunder – die so viele glauben ließen, dass das fact sheet des State Department dem Willen Teherans entspricht. Dazu kam schiere Ignoranz. Man projizierte seine Wünsche auf Teheran, nahm aber das, was die dortigen Machthaber tatsächlich sagten, nicht wahr.
Das Getöse um den “Durchbruch von Lausanne” sollte die Schwäche der Verhandlungsposition der 5+1-Mächte und ihr Zurückweichen vor den Mullahs übertönen. Dem Eingeständnis, dass mit Khameinis Leuten keine Einigung erzielt werden konnte, wich man ein weiteres Mal aus. Stattdessen wurde getrickst, geblufft und geschwindelt – das Ziel der (Selbst-)Täuschung scheint alle Mittel zu rechtfertigen.
Zugleich haben jene, die erfolgreich den Eindruck eines „Durchbruchs“ kolportierten, ein Momentum geschaffen, das ausreichen dürfte, um die Atomgespräche auch noch ein weiteres Mal – über den vereinbarten Termin des 30. Juni hinaus – zu vertagen.
Dies wäre zwar schlecht, laufen doch schon in der Zwischenzeit die Irangeschäfte massiv an. So vereinbarten die Türkei und Iran nur „wenige Tage nach dem Durchbruch im Streit über das iranische Atomprogramm“, wie die FAZ kolportiert, „mehrere Abkommen, mit denen das Handelsvolumen auf 30 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt werden soll.“[20]
Noch schlechter aber wäre eine Einigung nach den Eckpunkten von Lausanne. Denn in diesem einen Punkt ist die ansonsten so dürre “gemeinsame Stellungnahme” von Lausanne sonnenklar: Wenn der Iran die ihm auferlegen „Schlüsselverpflichtungen“ umsetzt, werden „gleichzeitig“ alle Nuklear-Sanktionen der EU und der USA beendet und „alle früheren nuklearbezogenen Resolutionen“ des UN-Sicherheitsrats außer Kraft gesetzt.
Während sich aber iranische Zugeständnisse per Anordnung des Revolutionsführers jederzeit wieder rückgängig machen lassen, gilt dies für die multilateral strukturierte Sanktionsarchitektur nicht. Der Bundesregierung ist dies bekannt.
[1] Erste Einigung bei Atomgesprächen, auf: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/04/2015-04-02-atom-einigung.html .
[2] Full transcript: the international statement of the Iranian nuclear deal, auf: http://eeas.europa.eu/statements-eeas/2015/150402_03_en.htm .
[3] Das State Department-Papier ist hier dokumentiert: http://www.timesofisrael.com/full-text-of-iran-nuke-deal-parameters-as-set-out-by-state-department/ Das iranische Statement findet sich hier: http://iranmatters.belfercenter.org/blog/translation-iranian-factsheet-nuclear-negotiations . Das französische ist bislang nicht veröffentlicht.
[4] Außenminister Steinmeier zur Einigung von Lausanne, auf: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2015/150402%20BM%20Lausanne.html .
[5] Iran will sign nuclear deal only if all sanctions lifted, Rouhani says, Jerusalem Post, 9. April 2015, auf: http://www.jpost.com/Middle-East/Iran-will-sign-nuclear-deal-only-if-all-sanctions-lifted-Rouhani-says-396641 .
[6] Khamenei: US fact sheet on Iran nuclear deal shows ,devilish‘ American intentions, auf: http://www.jpost.com/Middle-East/Khamenei-US-fact-sheet-on-Iran-nuclear-deal-shows-devlish-American-intentions-396656 .
[7] Frank-Walter Steinmeier, Umfassendere Kontrollen als jemals zuvor, in: FAZ, 4.April 2015.
[8] http://www.iaea.org/safeguards/documents/AP_status_list.pdf
[9] Matthias Küntzel, Die Deutschen und der Iran, Berlin 2009, S. 255ff.
[10] „Ratify and implement the Additional Protocol, consistent with the respective roles of the President and the Majlis [Iranian parliament]”, heißt es in der “Genfer Erklärung” unter der Überschrift “Elements of the final step of a comprehensive solution”. Sie hierzu: http://www.matthiaskuentzel.de/contents/der-kniefall-von-genf .
[11] Agence France-Presse, US will ,walk away’ if verifiable Iran nuclear deal not reached, auf: http://www.globalpost.com/article/6411792/2015/03/08/us-will-walk-away-if-verifiable-iran-nuclear-deal-not-reached .
[12] Amir Vahdat, Iran says no snap inspections of nuclear sites, 24. März 2015, auf: http://www.huffingtonpost.com/2015/03/24/iran-no-un-nuclear-inspec_n_6935818.html?utm_hp_ref=world&ir=WorldPost
[13] „Iran has also agreed to the most robust and intrusive inspections and transparency regime ever negotiated for any nuclear program in history”, verkündete Barak Obama am 2. April 2015. Siehe auf: www.independent.co.uk/news/world/americas/iran-nuke-deal-full-transcript-of-president-obamas-remarks-10153398.html .
[14] http://iranmatters.belfercenter.org/blog/translation-iranian-factsheet-nuclear-negotiations .
[15] Thomas L. Friedman, The Obama Doctrine and Iran, in: New York Times, 5. April 2015.
[16] Michael R. Gordon and David E. Sanger, With Details of Iran Deal Still in Flux, White House Opens Sales Effort, in: NYT, 7. April 2015.
[17] „A dedicated procurement channel for Iran’s nuclear program will be established to monitor and approve, on a case by case basis, the supply, sale, or transfer to Iran of a certain nuclear-related and dual use materials and technology – an additional transparency measure.”
[18] „I’ve been very clear that Iran will not get a nuclear weapon on my watch.“
[19] Ari Shavit, Not on Obama’s watch, in: Haaretz, 9. April 2015, auf: http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.651084 .
[20] Türkei und Iran wollen Handel verstärken, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 8. April 2015.